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WENDLANDREDEN - Global denken. Regional ernten.

WENDLANDREDEN - Global denken. Regional ernten.

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Podcast mit Judith Taschenmacher von der SoLaWi-Marlin und Jan Wieczorek vom Restaurant Janemann's in Hitzacker über ihren Weg in Sachen Kulinarik und Landwirtschaft.

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

02:50 Hofbelebung & Gründung der genossenschaftlichen Gärtnerei
07:07 Was ist eine SoLaWi?
10:11 Jans Rückkehr als Gastronom nach Hitzacker
13:57 Was ist gutes & leckeres Essen wert?
19:15 Erfahrungen & Umgang mit dem Fachkräftemangel
26:10 Überzeugungstäter*in statt reiche Geschäftsleute
28:15 Willkommenskultur im Wendland
32:23 Die globale und lokale Bio-Bewegung
39:32 Publikumsfrage: Wie konfliktfähig muss man auf dem Land sein?

Links:

 

Spotify Podcast

 

Audio-Transkript

WENDLANDLEBEN:

Hallo und willkommen zu WENDLANDREDEN, dem Podcast über Work, Life, Land und den Sinn für eine gute Zukunft. Wir reden hier mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten. Heute: „Global denken. Regional ernten.“

Alles Bio, alles lecker, alles gut? Die vermeintliche Hippie-Fraktion aus dem Wendland ist bei vielen über die Landkreisgrenzen hinaus Pionier des guten Geschmacks geworden. Wo aber liegen die Grenzen des feinen Gaumens und der Produktion? Hinterlässt Biohandwerk ein dauerhaftes Aroma oder eine skalierbare Mode?

Wir sprechen mit zwei Wendländer*innen vom Fach. Jan Wieczorek, Gastronom aus Hitzacker, der nach 17 Jahren Sylter Sansibar und Gastrojobs auf fast allen Kontinenten zurück ins Wendland kam, um das Janemanns zu eröffnen. Und wir sprechen mit Judith Taschenmacher. Sie betreibt die SoLaWiMarlin. Bei Solidarischer Landwirtschaft (SoLaWi) werden die Lebensmittel nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf.

Mein Name ist Steffen Rudnik. Ich genieße als Zugezogener viele regionale Leckereien und arbeite mit Sigrun Kreuser zusammen bei der Agentur "Wendlandleben", einer Initiative, die seit 2017 beim Ankommen, Leben und Arbeiten im Landkreis Lüchow-Darmberg begleitet und neu, alt und bald Wendländer*innen vernetzt.

Das Gespräch habe ich 2023 live vor Publikum geführt, während der KLP, der Kulturellen Landpartie, einem zwölftägigen Kulturfestival, das seine Wurzeln im Widerstand gegen das Atommülllager Gorleben hat. Wenn es während des Paneltalks trappelt und trubelt im Hintergrund, liegt das daran, dass dann immer sehr viel los ist bei uns auf dem Land…

Ich bin wie gesagt zugezogen und selbst über Berlin und Hamburg ins Wendland gekommen und darum interessieren mich die persönlichen Wege der anderen Wendländer*innen immer besonders. Darum habe ich Judith gleich zu Beginn nach ihrer Geschichte gefragt… [AUDIO OUT]

 

JUDITH:

Ich lebe seit 2017 im Wendland, bin gebürtig aus der Eifel, südwestlich von Köln, und bin Teil einer Gruppe damals gewesen, 2015 und 2016, und wir haben deutschlandweit einen Hof gesucht, wo wir Landwirtschaft machen können. Oder genauer gesagt eigentlich eine kleine Gärtnerei gründen, auch als solidarische Landwirtschaft. Und dann ist es zufällig das Wendland geworden. Also wir haben mehrere Jahre deutschlandweit gesucht und haben uns da eigentlich nur Frust abgeholt, weil das, was wir gefunden haben, entweder waren die Höfe viel zu teuer, das konnten wir nicht bezahlen. Wir wollten auch Eigenland haben und es werden viele Hofstellen verkauft, auch schöne, die sind auch bezahlbar, aber das Land bleibt in Eigenhand sozusagen. Das haben wir nicht bekommen, nicht einen Hektar. Und das war dann über die Zeit sehr anstrengend und auch frustrierend. Und dann haben wir den Spieß umgedreht und haben eine Anzeige geschrieben, wer wir sind, wie kompetent und ausgebildet wir sind, weil wir tatsächlich alle aus dem Ökolandbau kommen, also Landwirte, Landwirtinnen, Gärtner, studierte Agrarwissenschaftler. Dann prasselte es sozusagen an Anfragen von Menschen, die Höfe haben und loswerden wollen, sage ich jetzt mal so. Unter anderem auch von diesem Hof hier in Marlin.

 

WENDLANDLEBEN:

Es ist schön, das auch mal so zu hören, dass jemand dann Landwirtschaft macht. In meiner nicht landwirtschaftlichen Bubble gehen die Höfe natürlich immer alle einfach so weg. Man versucht sich die schönsten, man im schönsten Fall mit einem Wohnprojekt raus. Hast du das Gefühl, dass die Leute richtig erleichtert waren, dass diese Höfe einfach auch mal weiter zur Landwirtschaft genutzt werden sollen, die dir angeboten wurden?

 

JUDITH:

Ja genau, also es ist so, dass tatsächlich wir damals, als wir diese Anzahl geschaltet haben, haben uns 30, 40, 50 Landwirtsfamilien, Frauen, Männer angerufen, die teilweise sehr verzweifelt waren und uns versucht haben, sogar ihren Schweinemastbetrieb als Gärtnerei um Modelprodukt zu verkaufen. Hauptsache es macht irgendwer weiter, weil es gibt keine Nachfolger*innen oder die Kinder wollen es nicht machen. Und hier war es tatsächlich so, dass der Hof schon nicht mehr dem ursprünglichen Landwirt gehörte. Der hatte den schon verkauft an jemand anderes und diese Person hat da halt zwei Jahre auch ein gewisses Wohnprojekt gemacht, aber eigentlich nur das Wohnhaus genutzt. Die Stallungen, die Scheunen und auch der Acker waren teilweise anders genutzt, verpachtet und so weiter. Und dann haben wir halt diese Anzahl geschrieben. Diese Person hat das gelesen und gesagt, also ich mache das hier nicht weiter, aber es ist genau das, was ich suche. Leute, die in Gemeinschaft leben wollen, die aber auch diesen Hof beleben und wirklich noch wieder Landwirtschaft machen. Diese Stallungen, die Scheunen, den Acker und so ist das gekommen. Aber es war halt kein ursprünglicher Landwirt jetzt in dem Fall.

 

WENDLANDLEBEN:

Die SoLaWi, die da dann am Ende bei rausgekommen ist, scheint ganz gut zu funktionieren. Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir hier quasi auch Kunden.

 

JUDITH:

Ja, genau.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie lange hat das gedauert, das aufzubauen? Hattet ihr einen konkreten Plan? Habt ihr ihn einfach schnell durchgezogen? Oder wie kann man sich das vorstellen, das Konzept SoLaWi? Von der Theorie in die Realität?

 

JUDITH:

Grundsätzlich ist es ja erst mal einfach eine Gründung eines landwirtschaftlichen Betriebs, weil der lag da brach. Das gab es so nicht mehr. Und ja, wir haben eine klassische Gründung gemacht. Wir haben eine GbR gegründet. Drei Menschen waren wir damals. Und mit den ganzen Stationen bei den Behörden, was das so alles braucht auch. Und wir wollten von Anfang an, so oder wie machen, das war vollkommen klar. Mit dem Gedanken haben wir gesucht. Wir haben in unterschiedlichen Formen vorher in der Landwirtschaft gearbeitet. Wir haben Akkord für den Großhandel voll gearbeitet, Teile von uns. Andere haben große Gärtnereien, die Hofläden beliefern oder auch Wochenmärkte beliefern, irgendwie geleitet. Und für uns hat sich gezeigt, wenn machen wir es so, sonst nicht. Also das war vollkommen klar. Und so haben wir eigentlich nach dem Hofkauf sofort gestartet mit dieser Betriebsgründung und auch Werbung gemacht. Also keiner von uns, von uns Fünfen, die wir damals waren, kam hier aus der Region. Also wir kannten niemanden, niemand kannte uns. Und wir sind wirklich durch die Dörfer mit Zetteln in die Briefkästen, haben gesagt, was wir machen wollen, haben in unser Wohnzimmer eingeladen, damals, das war so ein ganz großes, altes Bauernwohnzimmer, so ganz viel Platz, Eiche rustikal, und haben da erzählt, wer wir sind und was wir machen. Genau, und haben voll Gas gegeben mit der Betriebsgründung. Das Haus ist ein 70er-Jahre-Bau gewesen, das haben wir tatsächlich irgendwie nach dem Feierabend oder nachts irgendwie Wände gestrichen, Tapeten runter und so weiter, aber genau, Betriebsgründung war von Anfang an sozusagen A und O, auch weil wir nicht im Lohn woanders arbeiten wollten. Wir wollten von Anfang an sofort selbstständig sein. Genau. Es waren zähe Jahre, kann ich sagen. Aber es hat sich gelohnt.

 

WENDLANDLEBEN:

Du hast gesagt, es war völlig klar, dass es eine SoLaWi sein sollte. Warum? Was sind die großen Vorteile oder das Überzeugende? Wie funktioniert die SoLaWi?

 

JUDITH:

Um es vereinfacht zu sagen, ist es so, dass wir mit Menschen im besten Fall aus der direkten Umgebung uns darauf einigen, dass wir ein Jahr unser Bestes geben und Gemüse anbauen. Für uns vollkommen klar, auch in Bio-Qualität. Wir haben sofort Bio umgestellt und später auch auf Demeter umgestellt. Aber erst mal, dass wir biologisch, regional, saisonal wirtschaften, erzeugen. Wir haben zwar ein Gewächshaus, das haben wir tatsächlich auch selber abgebaut mit Freunden und hier wieder aufgebaut. Das ist ein 1200 Quadratmeter Gewächshaus. Und dass wir mit den Menschen zusammengehen, ein Wirtschaftsjahr, so funktioniert das. Das heißt, die Menschen unterschreiben einen Vertrag und wir liefern Gemüse, bauen an, nach bestem Wissen und Gewissen, gehen zusammen durch ein Jahr. Wir haben den Vorteil als Erzeugende, dass wir fest jeden Monat diesen Beitrag bekommen, den die Menschen uns zusagen, den sie bezahlen. Da kann es auch mal passieren, dass der Mais nicht gelingt. Wir hatten anfangs unser Land nicht eingezäunt, dann sind da auch schon mal Wildschweine durch, dann ist kein Mais da. Aber unser Betrieb ist so vielfältig, dass es den Menschen gar nicht auffällt, weil wir so viele verschiedene Gemüsesachen liefern, dass es eigentlich gar nicht dazu kommt, dass eigentlich irgendwer im Mangel ist. Das heißt, wir haben ein Jahr lang diese finanzielle Unterstützung die die Menschen uns geben. Und die Menschen kriegen halt die komplette Ernte. Das heißt, wir sind sehr konservativ in unserer Anbauplanung. Wir rechnen viele Puffe ein. Und wenn alles gelingt, dann kriegen die Mitglieder dieser SoLaWi eigentlich auch diese komplette Ernte. Und das ist das Solidarische, dass wir nicht wie beim Großhandel beispielsweise, da kann es passieren, der ruft an, man erntet, liefert. Und wenn ihm diese Ware nicht gefällt, wenn das nicht passt, wenn es zu viel ist oder so, dann kann diese Ware zurückkommen. Und dann stehe ich als Landwirtin und als Gärtnerin da. Und was mache ich dann damit? Und ich habe ja trotzdem das Anbaurisiko, ich habe die Leute bezahlt, die das machen, das Saatgut und so weiter.

 

WENDLANDLEBEN:

Wenn ich jetzt überzeugt bin und sage, das klingt ja eigentlich ganz lässig, ich will Mitglied werden, geht das? Gibt es schon zu viele Mitglieder? Was kostet es?

 

JUDITH:

Wir sind jedes Jahr noch vor Saisonbeginn ausgebucht. Es ist wirklich so. Es gibt manchmal einen Puffer, je nachdem, wie es klimatisch ist, wie der Sommer kommt. Es reift mehr aus, als sozusagen verteilt wird und dann können wir ein, zwei Anteile mehr anbieten. Aber eigentlich sind wir meistens vor Saisonstart, es geht am 1. Mai los. sind wir voll. Wir machen immer im Februar eine Jahresversammlung, ist auch so in den örtlichen Medien bekannt, wo die ist. Dann kann man da hinkommen, wenn man anteilen möchte. Und meistens sind wir ein, zwei Wochen danach sind wir voll. Und bei uns ist es so, dass wir die Menge Gemüse liefern, die für zwei Erwachsene mindestens zur Vollversorgung reicht, sieben Tage die Woche. Aber es hat sich in der Realität gezeigt, dass davon eigentlich mindestens eine Familie mit zwei, drei Kindern isst, wenn nicht sogar mehr. Genau. Und wir liefern im Sommer halb man hat zweimal die Woche Gemüse, das ist dann kein Entweder-Oder, sondern man holt zweimal die Woche, weil wir einfach immer frisch nur an dem Tag direkt ernten. Und im Winterhalbjahr ist es einmal die Woche und der Anteil kostet in diesem Jahr 122 Euro.

 

WENDLANDLEBEN:

Für Essen kriegt man ja auf jeden Fall eine Vollverpflegung, da ist man ja auf Gastronomie quasi gar nicht mehr angewiesen. Jan, wie kompliziert ist es für dich, während der KLP als Gastronom, sich mal kurz die Zeit für so ein Podcast zu nehmen?

 

JAN:

Ja gut, wir haben das ja im Vorfeld geplant, nicht? Glücklicherweise habe ich heute einen geschlossenen Tag, deswegen konnte ich was einrichten. Wir haben dieses Wochenende nur ganz regulär auf, nachdem wir das letzte Wochenende doch uns verleiten lassen haben, ein paar Tage mehr aufzuhaben. Aber das macht man ja auch gern. Das ist ja auch schön, an solchen Projekten teilhaben zu können und vielleicht auch ein paar Worte zu sagen. Ursprünglich kommst du aus Hitzacker, warst aber zwischendurch auch mal weg. Genau, also geboren und zur Schule gegangen bin ich in Hitzacker, hab dann auch verschiedene gastronomische Betriebe hier im Umland, in Hitzacker und Umland auch geleitet und vorangebracht. Und bin dann nach Sylt, nachdem ich erst mal zwei Jahre, fast zwei Jahre in Afrika, im Malawi gelebt habe und dort auch eine Lodge, also eine Backpacker-Lodge geleitet habe und viel gereist bin. Und dann bin ich nach Sylt und habe da 17 Jahre mich in der Sansibar verdient und auch im Restaurant. Man konnte in der Presse lesen, dass du von der Überalterung in Hitzacker einfach ziemlich die Schnauze voll gehabt haben sollst und dich hier gar nichts mehr gehalten habt, trotzdem bist du zurückgekommen. Warum? Naja, es hat sich ja auch vieles geändert. Als ich damals, das ist ja jetzt auch fast 20, 23 Jahre her, da war es in Hitzacker schon so. Jeder, der noch laufen konnte, hat den Ort verlassen. Auch durch die Freie Schule, auch dadurch, dass die Besinnung wieder auf heimische Urlaubsregionen besonnen wurde, hat Hitzacker ja auch eine Wiederbelebung. Ich glaube auch, einzigartig im Landkreis, wie Hitzacker sich da gemacht hat. Wir haben Neuansiedlung von Familien und dadurch natürlich auch eine andere Kaufkraft. Auch jetzt durchs Homeoffice gab es nochmal einen Schwung, dass viele aus den Großstädten nach Hitzacker gekommen sind, weil es ja auch einfach ein schönes Örtchen ist. Was halt lange Zeit gefehlt hat und auch immer noch Bedarf an Mehrvielfalt ist halt die Kulinarik. Es gibt auch immer noch viel zu wenig Restaurants, aber da hat Hitzacker nicht ein Alleinstellungsmerkmal, sondern das ist im allgemeinen Landkreis so. Und ja, nach so langer Zeit, ich bin noch fünffache Onkel, habe ich gedacht, wäre es auch mal schön, wieder in die Heimat zurückzukehren. Und das Projekt, was wir da jetzt haben mit dem Janemanns Restaurant, das befindet sich im Hotel Zur Linde, was einem Jugendfreund von mir gehört, schon seit geraumer Zeit. Schon seit langer Zeit, mit seinen Eltern auch bewirtschaftet, auch den gastronomischen Teil. Und haben es aber dann vor sieben, acht Jahren auch altersbedingt noch den Hotelbetrieb laufen lassen. Dank Corona und so weiter hat sich da wenig getan. Und immer, wenn ich dann Weihnachten rum zu Hause war, haben wir ein bisschen rumgeflachst, wenn ich denn mal nach Hause komme, vielleicht belebe ich das mal wieder. Ja, und dieses Jahr war es dann holter die Polter soweit. Es gab Gründe, warum ich die Insel dann auch verlassen wollte. Hätte ich jetzt auch nicht mehr ewig gekonnt. 17 Jahre jeden Tag 12 Stunden und mehr und 40 Kilometer am Tag rennen. Das wäre noch ein paar Jahre gut gegangen und viel weniger. Die Arbeitsstunden sind nicht weniger geworden, aber die Kilometer ein bisschen.

 

WENDLANDLEBEN:

Ich wollte gerade sagen, so viel weniger scheint es jetzt auch nicht, oder?

 

JAN:

Nein, nein. Aber es ist ja auch was Eigenes. Es ist ein eigenes Projekt. Da bin ich ganz, ganz froh und glücklich und dankbar und auch stolz auf alle Beteiligten, dass wir meinen Grundgedanken von Gastronomie und auch von Beherbergung, das ist ja gar nicht so mein Part, aber Geselligkeit, auch Geselligkeit, dass es so toll umgesetzt wird. Und dadurch ist Janemanns hoffentlich auch für alle Gäste, aber auch für meine Mitarbeiter und ganz gewiss auch für mich ein Zuhause, ein Wohnzimmer. Und das ist schon ein großer Unterschied. Auch meine Familie arbeitet sehr viel bei mir mit im Betrieb. Jeder, der schon mal bei uns war, glaube ich, das ist auch so der allgemeine Tenor, fühlt sich sofort als wäre Teil der Familie und fühlt sich heimelig und zu Hause. Und wenn man dennoch nett bekocht wird und das alles lecker ist und man auf kleine kulinarische Reisen gehen kann, muss ich sagen, wird das unheimlich toll angenommen und ich freue mich auf viele weitere Jahre.

 

WENDLANDLEBEN:

Was sind das für Leute, die Teil der Familie werden, also die zu euch gehen und was gibt es zu essen?

 

JAN:

Kurz gefasst, meine Idee war regional, saisonal und natürlich einfach lecker. Das war eigentlich so der Grundgedanke. Das klappt natürlich nicht mit allem. Ich habe durch meine jahrelange Erfahrung und dadurch, dass ich hierher gekommen bin in der Welt, habe ich ein sehr großes Netzwerk und habe zum Beispiel einen sehr guten Kontakt nach Umbrien für schwarzen Trüffel. Den werde ich vor Ort einfach nicht finden. Ansonsten versuchen wir halt wirklich regional einzukaufen. Das ist eigentlich auch einer meiner Arbeitstage. Dafür hopps, dass ich hier die Bauern abklappe und versuche, möglichst vor Ort alles einzukaufen. Das, wie gesagt, klappt nicht immer. Es ist auch nicht immer alles biologisch. Es ist letztendlich für mich, gerade wenn es hier vor Ort gekauft wird, ist es für mich das viel Wichtige, dass ich weiß, welche Philosophie dahinter steckt. Ich habe einige Bauern dabei, die biologisch halt würde es gar nicht gehen, aber die einfach keine Lust auf die Zertifizierung haben. Wenn man den Hof kennt, die Menschen kennt und auch weiß, wie deren Einstellung zur Landwirtschaft und allgemein zum Leben ist. dann ist mir das fast wichtiger als ein Bio-Zertifikat. Wie gesagt, es ist saisonal bedingt. Wir haben fast wöchentlich verschiedene kleine Wechsel auf der Karte und gehen da halt auch stark mit der Saison. Aber es gibt natürlich immer ein paar Klassiker dabei. Aber der Deutsche ist auch ein Gewohnheitstier. Wenn ich jede Woche die Karte komplett anders machen würde, ich kann dir sagen, es würde jede Woche jemand da sitzen und sagen, ich hätte aber doch so gerne das, was ich letzte Woche gesehen habe. Oder die Currywurst, die ich am Anfang des Jahres oder sonst so was. Wie gesagt, eine kleine feine Karte und alles selbst gemacht. Wir haben keine Convenience-Produkte, kaum irgendwelche Pülverchen außer das Currypulver, was nachher auf den selbstgemachten Ketchup kommt. Also selbst den Ketchup machen wir selbst, alle Soßen ziehen wir selbst. Das ist alles sehr personalaufwändig, sehr arbeitsaufwändig. Aber da möchte ich auch gar nicht von weg. Wenn sich das nicht bezahlen lässt, dann muss ich irgendwann mal überlegen, wie ich das in bezahlbare Bahnen bringe. Aber für mich ist das einzig Richtige, das wird ja immer mehr, weil auch immer alles teurer wird. Man gönnt sich wirklich was. Für die meisten ist es etwas, was sie sich nicht alltäglich gönnen können. Und wenn ich mir etwas gönnen möchte und essen gehe, dann soll das auch mindestens so gut sein wie bei meiner Mutti. Eine Tüte aufreißen zu Hause kann jeder. Bei uns köcheln die Soßen über drei Tage auf dem Herd. Das ist ein Aufwand, den sich Oma auch mal früher gemacht hat. Oder den meine Mutti vielleicht auch noch gemacht hat. Den ich mir auch immer schon gemacht habe, wenn ich gekocht habe. Nur das rechtfertigt eigentlich überhaupt, dafür Geld zu nehmen. Und das natürlich dann halt auch noch mit nachweisen. beziehungsweise mit, ich propagiere das auch sehr gerne, woher ich meine Sachen bekomme. Und auch das ist etwas, was bei den Leuten sehr gut ankommt. Dieser fast abgedroschene Spruch, warum in die Ferne schweifen, das Gute ist so nahe, wir haben so viele tolle Sachen hier vor Ort. Das ist bei manchen Dingen nicht möglich. Wir haben auch einen sehr, sehr großen Durchsatz. Wir haben zwar nur vier Tage die Woche, 17 bis 22 Uhr, warme Küche. Und in der kurzen Zeit haben wir auch gerne mal 300 bis zu 400 Essen raus. Und da ist es manchmal mit der Regionalität fast unmöglich. Beim Rindfleisch zum Beispiel, da musste ich von vornherein ausweichen. Ich würde gerne auch da tip-to-toe die ganze Kuh verarbeiten, kann ich aber in dem Maße dann bei uns vor Ort denn doch nicht. Beim Wild, bei Reh und Hirsch und Wildschwein mache ich das. Aber beim Rind ist es eher schwierig. Und wenn du dann halt nur zum Beispiel das Rumpsteak verarbeitest, da haben wir zwischen vier und sechs ganze Rumpsteakstränge pro Wochenende, die wir da verbraten. Das wären dann drei Kühe pro Wochenende. Dann gäbe es im ganzen Landkreis schon keine einzige Kuh mehr nach dem ersten Jahr. Da weichen wir dann aus und da habe ich ein ganz tolles Hofgut, das Gut Kerkow, in Angermünde in Brandenburg gefunden. Auch da gab es natürlich ein Hofsterben, wo es ja auch jetzt immer noch anhält, aber es gab ja mal Zeiten, da war es noch viel schlimmer mit den Hofsterben in ganz Deutschland und gerade in strukturschwachen Regionen. Dort haben sich verschiedene Sterneköche zusammengetan mit den einheimischen Bauern und mit der einheimischen Landwirtschaft und haben ein sehr großes Gut aufgebaut, was eine unheimliche Vielfalt bietet und was sehr ursprünglich arbeitet immer noch. Die arbeiten auch bei Currywurst mit einem Emulgator als mit Warmfleisch. Deswegen ist die Currywurst, die ich von denen beziehe, zu 60% Edelschwein und 40% Angusrind, beides in Bioqualität. Warmfleisch ist der ursprünglichste Emulgator, den es gibt und wahrscheinlich sind die die letzten, die das überhaupt noch nutzen. Das ist ein Riesenaufwand. Warmfleisch bedeutet, die Kuh muss noch warm sein. Da wird ein Nacken ausgetrennt und im Stechschritt zum Fleischwurf getragen. Eine Kuh hat eine höhere Körpertemperatur als ein Mensch. Wenn man das mit Salz mischt und dann direkt durch den Fleischwolf jagt, dann könntest du da auch Tapeten anklatschen. Das ist ein riesen Aufwand und ist auch mit noch höheren Hygienevorlagen verbunden und deswegen macht das auch heutzutage so gut wie keiner mehr. Aber es ist halt das Ursprünglichste, was du machen kannst.

 

WENDLANDLEBEN:

Das klingt irgendwo aufwendig und ich bin hin- und hergerissen, wenn ich auf der einen Seite als Kunde ja denke, klar, das ist doch mein Anspruch, ich will auf gar keinen Fall, wenn ich irgendwo hingehe und was esse, will ich da, dass da irgendwie Fertigessen ist. Das könnte ich dann ja auch besser. Auf der anderen Seite ist da natürlich irgendwie auch die Angst, mein Gott, das muss ja unfassbar teuer sein. Bist du so unfassbar teuer?

 

JAN:

Ich bin preiswert. Es ist alles sein Preiswert. Wenn ich sehe, was wir dort verarbeiten und welchen Arbeitsaufwand wir das tun, es ist sehr grenzwertig, das in bezahlbare Bahn zu werfen. Würde meine Familie sich nicht für umsonst da noch mitverdingen und das viele, viele Stunden jede Woche, dann wäre das auch heute noch eigentlich nicht bezahlbar. Mein Gott, wir sind ein Jahr erst da. Es gibt überall auch ein bisschen Optimierungsmöglichkeiten. Die Routine muss verbessert werden. Ich musste paar Systeme umstellen. Im letzten Jahr habe ich nach Spitze 28 Angestellte gehabt, bei einem Restaurant mit 80 Innenplätzen und 80 Außenplätzen.

 

WENDLANDLEBEN:

Richtig beeindruckend, weil da immer wieder - im Aushang kann man sehen -  Servicekräfte, absolute Mangelware, nicht nur im Wendland, aber wahrscheinlich besonders im Wendland. Wie kommt es, dass du so viel Personal haben konntest?

 

JAN:

Letztendlich, auch da spielt bestimmt auch Glück mit hinein. Es ist aber, wo ich mir sicher bin, man muss natürlich auch die richtigen Bedingungen bieten. Und das konnte natürlich keiner vom ersten daran wissen, dass es bei uns eine schöne Umgebung gibt. Ich glaube aber, dass ich auch ein ganz netter bin und vielleicht auch da überzeugen konnte. Geld kann ich nicht, kann ich nicht locken. Das ist natürlich einfach durch die Mindestlohnerhöhungen und sonst sowas, das ist schwer überhaupt, da irgendwie mehr als das zu zahlen. Damit kann ich nicht locken, aber es sind zum einen, glaube ich, ist es für junge Menschen, die auch in der Gastronomie Fuß fassen wollen oder die gerade am Anfang ihrer Karriere sind, ist es ganz gewiss einer der besten Stellen hier im Landkreis, wo sie sich fortbilden können und wo sie eine tolle Ausbildung auch genießen können. Wir sind jetzt auch ein Ausbildungsbetrieb seit diesem Jahr. Man kann bei uns unheimlich viel lernen und mitnehmen. Wir haben sehr tolle und sehr versierte langjährige Fachkräfte auch bei uns im Betrieb. Auch dieses Jahr habe ich noch eine neue Köchin ergattern können, die unheimlich versiert ist, die lange Zeit in England auch einen Sterneladen geleitet hat, dann Kinder gekriegt hat und aufgrund der Kinder jetzt lange Zeit nicht in der Gastronomie wieder arbeiten konnte. Die hat mehr Zertifikate als jeder Jamie Oliver oder sonst sowas und jetzt ist sie bei mir. bei mir. Ich glaube, wir machen einfach auch eine gute Arbeit. Da spielt bestimmt Glück mit hinein, dass ich von vornherein hatte ich diesen Fachkräftemangel, dass er an mir vorbeigegangen ist. Aber mittlerweile bin ich mir auch sicher, dass wir einfach einen sehr guten Ruf genießen und dass wir einfach gute Bedingungen bieten. Stress ist immer da. Stress gehört dazu. Ohne den Stress geht es nicht. Aber im Büro, wer sich für die Gastronomie entscheidet, die meisten sind dann die Stress-Junkies. Die brauchen das auch, wenn es dann ein positiver Stress ist und man denen dann auch diese Zeiten dann auch mit netten Menschen verbringt. Und Wir haben auch das große Glück, dass wir fast ausschließlich nette Gäste haben. Das gehört ja auch zur Kunst eines Gastronomen dazu, dass man sie alle abholt. Es gibt auch Menschen, die, wenn sie reinkommen, erstmal so aussehen, als ob sie zum Lachen in den Keller gehen. Aber das ist ja die Herausforderung, dass man sie nachher alle mit einem Lächeln hinausschickt und dass sie auf einmal alle darauf einlassen, ein Teil der Familie zu werden und dieses Wohnzimmer dann auch zu genießen.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie ist das bei dir mit dem Stress und den Fachkräften, Judith?

 

JUDITH:

Ja, da habe ich gerade gedacht, das erinnert mich auch an unseren Laden, sage ich jetzt mal so. Von April bis so Juni, da ist einfach Pflanzzeit, also es ist so das Wetter, es geht los im besten Fall mit warmen Temperaturen und viel Sonne, alles wächst und gedeiht, es muss regnen. Also wir haben eigentlich drei Betriebszweige, einmal halt diese solidarische Landwirtschaft, dann ist ein anderer Betriebszweig eine große Jungpflanzenanzug, das heißt wir machen für eigentlich so gut wie alle umliegenden Solarwiesen und auch andere kleinere und größere Gärtnereien machen wir Die Jungpflanzen ziehen wir an, weil wir einfach im Gewächshaus Räumlichkeiten haben, die das anbieten. So eine sogenannte Anzucht auch da haben. Ist das das größte, was hier gibt in der Umgebung? Das weiß ich nicht. Konventionell gibt es auch größere. Bestimmt, aber jetzt so direkt wüsste ich jetzt nicht wo sonst. Also viele arbeiten ja sonst auch einfach mit Folientunneln. Die kommen bestimmt in der Summe auch auf diese Größe in der Quadratmeterzahl. Wir haben uns aber auch bewusst für ein Glasgewächshaus entschieden, mit so viel Arbeit, wie das auch dann zusammenhängt, das aufzubauen, weil das einfach ein anderes Gärtnern ist. Und es ist kein Müll, also es fällt kein Müll in diesem Gewächshaus, keine Folie alle paar Jahre, die irgendwie weg muss und neu ist. Ja, und es ist ein schönes Gärtnern auch in einem Glasgewächshaus, auch im Sommer, ne, und nicht unter so einer Folie. Ja, also diese Jungpflanzenanzucht, das ist einfach sehr viel im Frühjahr. Wir machen einen großen Markt auch in Marlin, ein Wochenende im Mai, das heißt, da rotieren wir richtig für. Und im Sommer ist dann halt vor allem der Gemüsebau im Herbst. Also wir machen auch Saatgut, wir züchten und erhalten Sorten, aber wir machen auch einfach eine Vermehrung von Saatgut. Das ist dann so ein Arbeitsschwerpunkt im Herbst, wenn das Saatgut ausreift, geerntet wird und so weiter. Und was wir einfach schaffen durch diese drei Betriebszweige, was im Gärtnerischen eher eine Ausnahme ist, dass wir ganzjährig Menschen anstellen können. Und klassisch ist eigentlich in vielen Gärtnereien, dass es im Mai irgendwie losgeht und dann hat man die Hochsaison und ab Oktober, wenn die Ernte drin ist, die jungen Leute gehen vielleicht nach Portugal, machen was anderes im Winter oder wie auch immer, oder sind nur für die Saison da, weil sie sonst studieren. Und wir schaffen halt durch diese drei Betriebszweige, ist immer was los, ist natürlich im Winter ruhiger, aber dann werden auch vor allen Dingen Überstunden abgebummelt und dadurch schaffen wir halt auch eine ganzjährige Anstellung. Ja, die meisten von uns, wir wohnen auch alle da zusammen, also es gibt mehrere Küchen auch, aber an sich sind eigentlich auch ein Gemeinschafts- und Wohnprojekt da. Wir machen für die Landwirtschaft so gut wie keine Überstunden. Also es gibt einen Acht-Stunden-Tag, es gibt freies Wochenende. Das ist auch eher die Ausnahme. Das ist uns aber wichtig, weil wir auch die Erfahrung gemacht haben, dass man ganz schön verheizt werden kann, sage ich jetzt mal, in dieser Branche. Also wir treffen auch immer wieder junge Gärtnerinnen und Gärtner, die das schon an den Nagel hängen und was ganz anderes machen, weil sie sagen, Überstunden ohne Ende, kein guter Lohn, keine Pausen, bis nachts auf dem Trecker sitzen. Und das geht gar nicht für uns. Das ist wichtig, um die Menschen für diesen Beruf zu begeistern. Wir bilden ja auch aus, wir haben immer zwei Azubis pro Jahr und haben eigentlich viel mehr Anfragen, als wir auch annehmen können. Also wir haben meistens fünf, sechs, sieben Bewerbungen pro Jahr für das neue Lehrjahr schon. Ja, und das ist auch einfach schön, diese Rückmeldung. Und viele bleiben auch länger als jetzt ein Jahr. Also es ist eigentlich so, dass in der Landwirtschaft und auch in den Gärtnereibetrieben wechselt man eigentlich jedes Jahr den Betrieb, weil es einfach so vielfältig ist, dass eigentlich der größte Lernerfolg ist, wenn man einfach in jedem Jahr im Handwerk, kenne ich das nicht so. Ich weiß nicht, wie es jetzt ist, wenn man Koch oder Köchin lernt. Vielleicht ist es da auch üblich, dass man da mal auch den Betrieb wechselt. Und ja, wir haben auch viele, die bei uns einfach den Abschluss machen, weil wir gut zusammen klarkommen und weil wir auch, glaube ich, einen schönen Arbeitsplatz bieten. Und trotzdem, also was jetzt trotzdem, ist es so, dass wir auch jetzt unabhängig von dieser Ausbildung haben wir in den letzten Jahren so einen großen Andrang gehabt an Anfragen, ob man bei uns arbeiten kann, weil einfach das Ländliche, das Gärtnerische, zieht unglaublich viele Leute an. Vor allem viele auch aus der Stadt, die eigentlich was ganz anderes gemacht haben, die da raus wollen, aus dem städtischen, aber vielleicht auch aus ihrem Job im Büro und so weiter. Und das ist auch schön, aber...

 

WENDLANDLEBEN:

Kann man die gebrauchen oder sind das eigentlich...

 

JUDITH:

Also, ja, also man kann natürlich... Es gibt auch immer Arbeiten, die irgendwie jeder ausführen kann. Und natürlich gibt es irgendwie auch da nochmal Unterschiede, wie jemand schnell irgendwie in so was reinkommt und mitmacht. Aber was tatsächlich wirklich rar ist, gute Gärtnerinnen und Gärtner, die gibt es eigentlich so gut wie gar nicht. Also wenn man sich die Stellenanzeigen auch im Internet anguckt, deutschlandweit, auch in der Bio-Branche, überall sprießen SoLaWis aus dem Boden und überall werden Gärtnerinnen und Gärtner auch für große Betriebe gesucht. Und da wirklich Leute zu finden, die einfach gut sind, also wo ich als Betriebsleitende auch einfach Verantwortung abgebe und weiß, das wird gut gemacht, das wird dann wirklich schon weniger. Es gibt viele Menschen, die machen und die arbeiten mit und sind sehr motiviert, aber wirklich fitte und gute Leute, das ist wirklich schwieriger. Also wir suchen tatsächlich auch ab nächstem Jahr eine Gärtnerin oder einen Gärtner, auch mit Erfahrung gerne.

 

WENDLANDLEBEN:

Obwohl gute Ernährung oder Bio, wie auch immer, irgendwo ein Trendthema ist, auch wenn es vielleicht jetzt durch die preislichen Entwicklungen wohl ein bisschen rückläufig ist, scheint ja irgendwie nicht da das große Geld trotzdem irgendwie zu locken. Zumindest wirkt ihr beide auf mich nicht wie Unternehmer, die sich richtig gut die Taschen vollmachen können. Warum?

 

JAN:

Ich glaube, die Sparten sind schon sehr unterschiedlich. Ich glaube, Landwirtschaft und Gastronomie, was uns da eint, ist, dass in diesem kleinen Rahmen, wie wir das betreiben, werden die wenigsten sowieso jemals reich werden. Ich könnte drüber nachdenken, eine Janemanns-Restaurantkette aufzubauen oder Ähnliches. Dann müsste ich es aber erstmal in eine bezahlbare Bahn bringen. Aber zum reich werden bin ich auch nicht in den Landkreis gekommen. Auf Sylt war es auch schön, aber ich habe von Sylt kaum etwas erleben können, weil ich da die schönste Zeit, die Sommerzeit, fast auch täglich gearbeitet habe. Für mich war es ein Heimkehren, auch nach Hause kommen, mit dem Ziel reich zu werden. Damit bin ich auf jeden Fall nicht hierher gekommen. Das ist wirklich wahr. Letztendlich auch im Vorfeld, Jahre davor, habe ich immer mal überlegt, Mensch, wenn ich zurückgehe, was kann ich eigentlich machen? Das ist natürlich ein strukturschwacherer Region als, oder gerade in der Gastronomie verdiene man, sind andere Umsätze auf Sylt möglich als hier. Und natürlich habe ich da auch anderes Geld verdient auf Sylt, aber da hat man auch höhere Kosten. Da habe ich alleine für mein Einzelzimmer in der Personalwohnung fast 600 Euro bezahlt und da war noch keine Küche bei. Dementsprechend musst du da natürlich auch mehr verdienen. Es ist natürlich schon auch für Menschen, die dann aus strukturstärkeren Regionen kommen, ist das natürlich auch eine Überlegung, die im Vorfeld stattfinden muss. Wie kann ich meinen Lebensstandard halten oder zumindest mich ernähren, wenn ich jetzt wieder in die Heimat zurückkehre? Und das Wichtigste, wie ich finde, ist, dass man Spaß an der Freude hat und wenn es dann bezahlbar ist und man einen Prozess sichtbar ist, dass irgendwann halt auch vielleicht mal eine Mark überbleibt, dann ist das völlig ausreichend, wie ich finde.

 

WENDLANDLEBEN:

Man konnte eigentlich, würde ich sagen, mit allen Gesprächen, die ich jetzt gehört habe, konnte man immer eine gewisse Haltung bei den Leuten raushören. Oder es waren irgendwie alles Überzeugungstäterinnen und -täter. War dir das als Zuzüglerin bewusst, dass du jetzt in so einen Landkreis kommst, wo zumindest, also sowieso während der kulturellen Landpartie sowieso alles richtig super ist, aber auch so so ein gewisser Schlag Mensch irgendwie, der es einem irgendwie einfacher macht? Oder hast du vielleicht sogar andere Erfahrungen gemacht?

 

JUDITH:

Ich war vorher einmal im Wendland. Ich wusste gar nicht, was mich hier erwartet. Ich würde sagen, in den letzten fünf Jahren haben wir diverse Erfahrungen mit den Menschen hier gemacht, sei es zugezogene oder alteingesessen im Dorf, in der Gemeinde und so weiter, im Landkreis auch. Es gibt eine kleine Anekdote, die kann ich dazu erzählen. Wir waren ein paar Wochen erst da und dann hatten wir dieses große Gewächshaus, also Alles eingetütet in LKWs und so kam angefahren auf den Hof. Und wir brauchten Leute, die das mit uns aufbauen. Es war eine riesige Baustelle, mehrere Tausende Tonnen sind in das Fundament geflossen an Beton. Meine Familie war auch da, hat geholfen. Und wir haben einfach die paar Menschen, die wir aus dem alternativen Kreis kannten, aber auch andere aus dem Dorf, erzählt, dass wir das machen. Wir suchen Hilfe. Und als diese Woche startete, standen da morgens ... 40 Leute, die gesagt haben, jo, wir machen mit. Dann war mein Vater da und sagte, Judith, wer sind die ganzen Leute? Ich habe gesagt, Papa, ich weiß es auch gar nicht, wer das alles ist und was die hier machen. Und da waren zumindest jetzt aus der Gemeinde Wadeweiz natürlich auch viele Leute, aber auch ich weiß also bis heute nicht, manche habe ich auch nicht mehr wiedergesehen seitdem, die da mitgewerkelt haben, diese riesige Baustelle. Also wir haben natürlich noch viele Monate weitergebaut, aber das war erstmal dieser Start. Wir brauchten viele Leute für dieses enorme Fundament, für kleinste Arbeiten. Und das war für mich schon so ein Start, wo ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, was ist hier los? Ich komme aus der Eifel, das ist sehr konservativ, sehr katholisch. Eingesessen, da gibt es nicht so viele, zugezogen, inzwischen ändert sich das. Aber das war schon besonders für mich, das muss ich schon sagen. Ja, und dann auch, dass wir eigentlich, wir haben so Zettel in die Briefkästen geschmissen und gesagt, was wir machen. Wie viele Leute einfach dann, also wir hatten ja noch nichts angebaut, der Acker sah noch aus wie vorher und die Leute haben uns, ja, die haben einen Vertrag unterschrieben, ein Jahr Gemüse. Also wir müssen so seriös ja irgendwie auch gewiesen werden oder das Vertrauen so groß, "Jo, die machen das schon, das wird schon was werden." Dafür, dass uns ja auch keiner kannte, fand ich schon enorm. Also auch jetzt noch so rückblickend. Und es ist so, dass wir jetzt heute, Tag heute haben wir ungefähr 85 Gemüseanteile, dahinter stehen ca. 300 Leute, die Gemüse von uns beziehen. Und 90% sind seit Tag 1 dabei. Also da ist einfach auch ein ganz großes Vertrauen. Das ist auch genau wie du das sagst, es spricht mir aus dem Herzen, diese Familie, die man hat, wenn man irgendwie auch einfach diese Art, mit den Menschen umzugehen, irgendwie da eine Offenheit, aber auch eine Transparenz und eine Ehrlichkeit reinzubringen in die Arbeit, die man tut. Also definitiv werde ich nicht, reicht damit, ich könnte was anderes machen. Aber das ist nicht das, was ich machen möchte. Also für mich macht es so viel Sinn, was ich mache. Diese Arbeit, einmal dieses Gärtnerische, aber auch eingebettet in diese solidarische Landwirtschaft, wo Leute jahrelang mit uns gehen und eigentlich unsere Kunden natürlich irgendwie sind. Aber es fühlt sich gar nicht an wie Kunden, weil wir sind wirklich Freunde geworden, die über Jahre miteinander gehen, die begleiten uns im gärtnerischen Jahresverlauf. Wir machen Feste zusammen, wir ernten zusammen. Und das ist nicht, weil ich das brauche, weil ich sonst nicht genug Arbeitskräfte habe, sondern es ist freiwillig und das ist weil wir freudig gerne zusammen diese Arbeit da draußen auf dem Acker machen mit Kindern. Egal, wer Lust hat zu kommen, kann immer kommen. Und da sehe ich schon gerade die Region hier auch oder jetzt wo wir da in Marlin auch sind, schon eine relativ große Willkommenskultur auch von den Menschen, die schon jetzt eigentlich da so waren auch. Und natürlich haben wir auch in den Dörfern drumherum oder auch im Dorf unsere Themen mit Menschen und sind da aber gerade raus und im Dialog und transparent und versuchen es auch immer wohlwollend, also auch zu verstehen, okay, was sind Themen, die Menschen mit uns haben jetzt da am Platz, weil wir ein Ort sind, wo viel Zulauf auch einfach ist, wo wir Bio machen, was auch nicht immer gewünscht, gewollt oder gewohnt ist so einfach auch. Das ist auch irgendwie außergewöhnlich so.

 

WENDLANDLEBEN:

Es gab mal eine Zeit lang dieses Meme von einem Kind, was sagt: “ ich hasse Bio“. Fand ich immer witzig, aber anscheinend gibt es Menschen, die das einfach nicht mögen. Warum?

 

JAN:

Zum einen ist es ein Generationending, aber vielleicht ein falscher Vergleich. Es ist ein bisschen wie mit dem Handy am Anfang, wo die alten Leute auch gesagt haben, also nicht sowas niemals. Und heute hat auch jede Oma ein Handy in der Tasche. Und ansonsten, oh mein Gott, es gibt einfach Menschen, die haben was gegen alles.

 

JUDITH:

Ja, ich glaube es ist einfach Bio. Also einmal, das ist ja auch so, wenn man sagt, die großen Fragen gesellschaftlich irgendwie auf der Welt, Ernährung, dann ist immer Bio ernährt nicht die Welt, weil Bio hat weniger Erträge, weil weniger Dünger eingesetzt wird, weil Sorten eingesetzt werden, die nicht so hoch ertragsreich sind. Das ist so ein Argument. Dann Standard Bio ist zu teuer, kann ich mir nicht leisten. Auch das kann schon sein, wenn man sich halt andere Dinge leistet. Ja, dann kann man sich in seiner Ernährung manche Dinge dann vielleicht nicht. Für mich ist es eine Prioritätensetzung. Nicht immer. Es gibt mit Sicherheit viele Menschen, die auch, wenn sie den Anspruch, sich immer und überall Bio zu ernähren, das ist nicht möglich. Da bin ich total fein mit. Für mich ist das manchmal auch eher eine Frage, genau das, was Jan auch sagte. Immer und absolut Bio bin ich auch gar nicht der Fan von, sondern also für mich ist gerade das Thema global denken, lokal ernten oder lokal handeln absolut. Also gestern fragte eine Frau hier bei einer Veranstaltung, ja, was mache ich denn jetzt? Bio-Erdbeeren aus Spanien oder nicht Bio hier aus Niedersachsen? Und dann, was soll ich da raten? Also da habe ich auch gesagt, schau mal, was ist im Anbaukalender? Wann ist eigentlich was reif in deiner Region oder sei es auch in Deutschland? Und dann zu schauen, ja, der erste Schritt, Erdbeeren nur zur Erdbeerzeit zu essen, da ist schon ganz viel mitgetan und nicht im Januar oder zu Weihnachten irgendwie ein Erdbeerschake zu trinken. Das ist so ein Schritt. Und dann auch, wenn ich die schon mal esse, wenn sie gerade da sind, dann gibt es zum einen bestimmt auch immer Bio-Erdbeeren vor Ort und wenn nicht, ja dann lieber nicht Bio-Erdbeeren aus Niedersachsen als halt im Januar Bio-Erdbeeren aus Spanien. Ja, das kann ich auf jeden Fall auch unterschreiben so. Genau.

 

WENDLANDLEBEN:

Ich finde es eigentlich ganz griffig, den Handyvergleich, den du gerade auch gebracht hast. Wie sieht es in zehn Jahren aus? Jetzt mal abgesehen davon, dass ganz schlimme Krisen weiterhin irgendwie auf einen lauern, aber eigentlich ist es doch so, wie ihr beide arbeitet, wäre es doch eigentlich schön, wenn es auch alternativlos wäre, oder?

 

JAN:

Ja, ich glaube alternativlos gibt es gar nicht, weil die Menschheit ist so vielfältig und die Regionen sind so unterschiedlich und so weiter. Alternativlos geht gar nicht. Wir sind, da müssen wir jetzt ganz weit ausrollen, die Weltbevölkerung, wir sind schon längst überbevölkert. Würden jetzt nur die Menschen, die jetzt schon Stand heute auf der Erde sind, auch nur ansatzweise den gleichen Standard oder ähnlich viel Essen haben wollen wie wir oder wie westliche Welten, könnte der Boden das jetzt schon nicht mehr hergeben und die Luft und so und so was. Also wir sind ja jetzt schon eigentlich völlig am Limit. Und deswegen wird es da weiterhin auch diese konventionelle Schiene geben, weil wir werden ansonsten gar nicht alle ernähren können. Für mich ist es eine Frage, die man gar nicht beantworten kann, weil es ist einfach viel zu vielfältig. Menschen, die es sich leisten können, die Menschen, die es sich nicht leisten können und so weiter.

 

WENDLANDLEBEN:

Ich meine tatsächlich auch gar nicht nur in die Bio-Richtung, sondern einfach auch, dass Leute verzichten bei ihrer Arbeit zum Beispiel auf gutes Gehalt. Also wie alle möglichen Leute, die jetzt im Wendland irgendwie arbeiten, Dinge aufbauen und sagen, ja, ich setze auf die Lebensqualität. Klar muss man sich vielleicht dann irgendwie auch leisten können, aber ist vielleicht ja tatsächlich auch nachhaltiger gedacht, dass wenn man irgendwie gute Dinge irgendwie tut und anscheinend dadurch irgendwie so viele Leute begeistert, die einfach mithelfen, bei beiden Filmen bei euch. Ist es der Fall, dass das ein Modell ist, was einfach so viele Leute eigentlich überzeugt irgendwann, dass sie sagen, ja, da habe ich irgendwie Bock mitzumachen?

 

JUDITH:

Es steht und fällt tatsächlich genau mit den Konsumentinnen und Konsumenten und da mit einem, ich nenne es jetzt mal so ein Umdenken oder einfach Hinterfragen des komplett eigenen Lebensstandards, egal auf welcher Ebene, sei es im Wohnen, Mobilität und so weiter und so fort. Gestern, wie gesagt, da war diese Veranstaltung und da sagte auch jemand, ja, was kann ich denn jetzt tun? Und dann irgendwie genau sagte mein Partner, ja, das Beste irgendwie "Support your locals" und irgendwie geht es so nächsten SoLaWi um die Ecke. Also so als Beispiel jetzt und das heißt nicht Werbung für uns als Bewegung oder so zu machen, aber der Schritt muss ja erst mal kommen, der Gedanke, okay, was ist das für ein System und irgendwie, wie kann ich mich auch ernähren und das ist ja auch einfach eine Auseinandersetzung mit einem selber, wie stehe ich im Leben und wie möchte ich agieren, handeln, welche Auswirkungen hat mein Handeln und genau, wie möchte ich mich ernähren und wie möchte ich essen. Es wäre natürlich schön, wenn langfristig Menschen auch auf jeden Fall für Ernährung und für Lebensmittel das Geld ausgeben, was sie wert sind. Das ist ja auch was in der SoLaWi passiert, dass eigentlich unsere Möhren verlieren den Preis und bekommen einen anderen Wert. Also der ist nicht monetär zu bewerten mit dem, was wir da einfach reinstecken und mit der Hingabe. Da können wir ganz viel darüber informieren und das machen wir auch. Und am Ende ist es tatsächlich so, dass wir es einfach machen und es wird gesehen und und es wird probiert und es wird gewertschätzt oder es geht direkt ins Herz, sage ich jetzt mal, und dann bleiben Menschen dabei und erzählen es anderen und so geht das. Das ist so meine Erfahrung der letzten Jahre, warum wir so teilweise überrannt sind und dass Menschen unser Gemüse wollen oder auch unsere Arbeit also in einer Form auch wertschätzen und das ist manchmal jeden Tag mit einer E-Mail, einem Anruf oder irgendwie kurz, wie toll es ist, was wir machen und das freut mich total, aber es ist auch ein Weg dahin. Es ist auch ein immer wieder, wie eine kleine Leier, so immer wieder auch erzählen, was daran also auch wirklich langfristig gut ist.

 

WENDLANDLEBEN:

Du hast ja schon gesagt, eine Bewegung. Seid ihr beide Teil einer Bewegung, bzw. welche Rolle spielt Netzwerk in den jeweiligen Branchen für euch?

 

JAN:

Ich glaube, da ist Judith, bei euch ist es eher eine Bewegung. Bei mir ist es eher eine Überzeugung gewesen. Und wenn ich damit eine Bewegung auslöse in irgendeiner Form, dann kann ich damit gut leben. Aber bei mir war es eher eine persönliche Überzeugung. Und bei euch ist es ja schon auch eine Bewegung.

 

JUDITH:

Genau, das würde ich auch sagen. Es ist ja auch, sag ich mal, weltweit oder zumindest so jetzt Nordamerika und auch in Europa schon eine gewisse Bewegung hin, dass Landwirtschaft so gedacht und praktiziert wird oder zumindest auf der Vermarktungsebene. Genau, das haben wir kennengelernt im Praktischen, im Arbeiten und das für total richtig und den einzigen Weg eigentlich empfunden und uns deswegen dem, ich sag jetzt so angeschlossen oder da unseren Weg drin gefunden und auch das so bei uns etabliert. Es gibt ein großes Netzwerk und es ist tatsächlich auch so, dass es tatsächlich auch in der Politik und auch im Mainstream durchaus angekommen ist. Ich lebe natürlich auch in der Blase und in der Szene mit Menschen und wenn ich irgendwie, was super selten vorkommt, mal in einer Großstadt bin, noch nicht mal einmal im Jahr, dann fallen mir die Augen aus dem Kopf, weil ich denke, okay, es ist auch noch ganz viel zu tun so ein bisschen. Und trotzdem sind wir da eigentlich nur so peripher vernetzt, aber es gibt natürlich deutschlandweit Fördergelder. Es gibt Maßnahmen, es wird ganz viel Beratung angeboten in diese Richtung. Auch von den, genau je nachdem wie die Agrarministerien besetzt sind, durchaus auch von da aus geht schon auch eine Bewegung in Richtung Bio und natürlich überhaupt auch solidarische Landwirtschaften und so weiter. Das heißt, da ist auch schon ein Wandel da. Auf jeden Fall, der geht natürlich langsam und mir vielleicht auch immer zu langsam, aber das ist in Ordnung so. Ja, also ich sehe, das Umdenken sehe ich schon auch so in kleinen Schritten irgendwie.

 

WENDLANDREDEN:

Gibt es Fragen aus dem Plenum zu dem Thema.

 

PUBLIKUMSFRAGE:

Also so als Stadtmensch oder jemals habe ich das Gefühl, viele Stadtmenschen sehen es als Privileg, nicht ständig Konflikte führen zu müssen, sondern sich einfach so nur mit Leuten auseinanderzusetzen, die genauso denken wie man selbst und so in dieser kleinen Blase zu sein. Wie konfliktfähig muss man sein, wenn man so was aufbaut auf dem Land und mit den Leuten interagieren muss oder lernt man das unterwegs? Wie viel Kraft kostet das?

 

JUDITH:

Da kann ich ganz kurz eine Geschichte zu erzählen. Wir waren ein halbes Jahr im Wendland und hatten das erste Gemüse auf dem Acker und dann gab es einen sogenannten Abdrift, dass ein konventioneller Landwirt von einem Nachbarfeld hat ein Herbizid gespritzt und dann kam ein Sturm und dann ist dieser Boden, man nennt hier das die Felder wandern, wenn auch mal im Frühjahr der Acker noch nicht begrünt ist und dann ist dieser leichte Sandboden ist durch einen Sturm komplett auf unserem Acker niedergerieselt, dann hat es geregnet und dann ist folgendes passiert, dass eigentlich gesamte Ernte im Gewächshaus und auf dem Acker, gesamtbetrieblich, also unsere zwei Hektar, haben dieses Herbizid abbekommen und sind dadurch gestorben, sind vergammelt oder sind halt einfach eingegangen. Und das war einmal ein enormer Schlag, weil die Leute zum ersten Termin kamen, oh wir holen jetzt mit ihren Tächchen und wir sind jetzt in der Solapie und der Erste-Abhol-Tag ist da und dann kamen die Leute und es gab kein Gemüse. Und auch sechs Wochen lang danach nicht. Erzähl das mal 50 Leuten, die dich eigentlich nicht kennen, die diesen Vertrag unterschreiben und dann zu erzählen, was ist das Abdrift, was ist da passiert, wie sind da auch so die Verantwortlichkeiten, was müssen wir jetzt für Schritte einleiten. Und das ist natürlich ein herber Schlag gewesen, weil wir uns natürlich, wir haben das öffentlich gemacht, in unseren Augen muss es auch so sein, der Transparenz wegen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch ja für den entsprechenden Landwirt und so weiter. Ja, und da sind natürlich Fronten aufeinander geprallt, nämlich auch eigentlich im ganzen Umfeld und auch im Landkreis konventionelle Landwirte und Landwirte, die natürlich uns als die gesehen haben, die jetzt da hinkommen, ja wenn ihr auch Bio da mittendrin macht, kann das passieren. Selber schuld, sage ich jetzt mal so. Also das war enorm. Nach einem halben Jahr hier, man kennt niemanden und dann muss man sich mit sowas auseinandersetzen. Wir haben das, finde ich, gut gelöst. Wir sind ins Gespräch gekommen, haben entsprechende Personen an den Tisch geholt, haben darüber geredet, was kann man machen. Es gibt natürlich auch immer die rechtliche Seite, eine Versicherung und so weiter, hat auch gezahlt. Aber das war so ein Staat so eher nicht yippie yeah. Also so gerade für uns im Dorf mit viel Landwirtschaft umgeben, konventionelle Landwirtschaft, richtig groß, auch groß industriell auf jeden Fall schwieriger Staat. Und so, ja, wir sind im Austausch mit den Menschen hier und auch mit Andersdenkenden immer zu gerne, wenn wir eingeladen werden. Wir gehen da gerne hin, wir überlegen, okay, wer macht das, was ist das Thema. Wir berichten darüber transparent, aber auch offen, offenes Ohr für andere Themen, für andere Meinungen auch. Das hat sich bewährt, dieser Weg. So, auf jeden Fall. Also es gibt natürlich, wir haben Grundsätze und das ziehen wir durch, aber das betrifft uns im Betrieb, wie wir Dinge tun. Aber wir gehen nicht da raus und zeigen auf andere und sagen ja ihr und wir und wir machen es viel besser oder so. Gar nicht, sondern eher auch an einem Osterfeuer beispielsweise, wo man ins Gespräch kommt, wo auch mal ein bisschen mehr Bier getrunken wird, mal mit konventionellen Nachbarinnen und Nachbarn spricht und einfach sagt, wie geht es euch denn nach so einem Sommer? Ja, so und bei uns ist das und dann ist es total nett und es ist gut. Und man kann einander gut oder immer besser akzeptieren und lassen.

 

JAN:

Ja, auch da zwei verschiedene Betriebe. Ich komme ja aus Hitzacker, insofern bin ich ja ins gemachte Nest zurück. Bei uns ist es schon, wir haben nicht allzu viel Gastronomie in Hitzacker, aber was bei uns ganz toll ist und was wirklich durch die Bank jeder versteht und vom ersten Tag an verstanden hat, dass es nur gemeinsam geht. Also wir alle ziehen da am gleichen Strang. Wir haben uns auch ein bisschen abgesprochen mit den Öffnungszeiten, dass irgendwie Gastronomie überhaupt vor Ort ist tagtäglich. So dass der eine da seinen Ruhetag hat, der andere da. Das klappt wirklich super mit der Kommunikation und das ist überhaupt kein Leiter. Wir wissen alle, alle wie wir da sind, auch die Gastronomen, die jetzt schon vor Ort sind, wissen wir brauchen mehr kulinarische Vielfalt. Wir haben viel Radtourismus, viel Motorräder und alles, die dann auf den Sonntag oder auf den Samstag, gerade an den Wochenenden reinrauschen und im Regelfall halt leider wenig geboten bekommen. Also einfach nur nett irgendwo einkehren und zum trinken oder halt auch zu essen. Da könnte man die Leute ganz gewiss viel, viel länger und viel besser in Hitze erhalten und das würde allen Geschäftsreibenden auf jeden Fall gut tun. Und dem Ort sowieso. Ein belebter Ort ist immer schöner. Also da habe ich überhaupt gar keine Wiederwehr gespürt. Ganz so gar nicht. Manche Dinge belächelt, Und das vielleicht, dass ich so bis 22 Uhr Küche mache, das haben sie mich alle für Glocke gehalten von Anfang an. Ich selber gehe aber auch gerne spät essen und nach 20 Uhr gibt es in Hitzacker zumindest und ich glaube auch darüber hinaus so gut wie nichts mehr zu essen. Bei mir läuft das super, auch bis 22 Uhr. Wie gesagt, man wurde für manche Dinge belächelt, auch wenn ich die ganzen Scharen an Mitarbeitern nicht umherlaufen lassen habe. Aber das hatte alles auch seinen Grund. Für mich war es wichtig, immer glückliche Gäste vom ersten Tag an zu haben. Und weil man ja keine Routine hat, mussten halt am Anfang ein paar mehr Leute darum herlaufen. Aber wir haben es geschafft. Jeder, der da rausging, ist mit einem Lächeln rausgegangen. Und das Gefühl, dass es Neider gibt oder so, habe ich ganz und gar nicht.

 

WENDLANDLEBEN:

In diesem Sinne hoffe ich, dass alle Menschen, die jetzt hier auf der kulturellen Landpartie das Wendland gesehen haben, natürlich mit einem Lächeln rausgehen aus dem Landkreis und dann auch mal wiederkommen, aber tatsächlich auch mitnehmen. Es ist nicht alles Bio, es ist nicht alles Bullerbü. Es gibt diese Konflikte und man muss das auch realistisch betrachten. Aber der Anteil an Menschen, die hier anpacken, die eine gewisse Haltung haben und die vielleicht auch ein bisschen mehr Pioniergeist mitbringen als andere, den gibt es auf jeden Fall. In diesem Sinne vielen, vielen Dank fürs Zuhören. Vielen, vielen Dank, dass ihr da gewesen seid.

 

JUDITH:

Danke für die Einladung.

 

JAN:

Danke auch.

 

WENDLANDLEBEN:

Das war unsere Folge "Global denken. Regional ernten." Mehr Infos zu den Gästen und ihrem Schaffen findet ihr in den Shownotes.

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Wendlandreden ist eine Produktion der Agentur Wendlandleben. Technische Umsetzung Hannes Gerlof und Simon Kamphans.

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