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Winterpause
Vom 18. Dezember 2023 bis zum 7. Januar 2024 bleibt unser Büro unbesetzt. Ab dem 8. Januar sind wir wieder wie gewohnt für euch da.

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WENDLANDREDEN - Neue Arbeit. Neue Struktur.

WENDLANDREDEN - Neue Arbeit. Neue Struktur.

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Podcast mit Anja Petz von der KURVE Wustrow, Remote-ITler Tom Collerton und Hans-Albrecht Wiehler von coworkland über ihren Weg in Sachen New Work, Hierarchien und Digitalisierung.

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

02:43 Entstehung des Co-Working-Spaces in Hitzacker
08:10 Großes Interesse an neuen Arbeitsplatzlösungen
11:10 Als ITler aus Sydney im Co-Working-Space in Lüchow
17:07 Überzeugungstäter*innen in der KURVE Wustrow
29:31 Work-Life-Balance auf dem Land
34:14 Schwierigkeiten und Chancen beim Umzug aufs Land

Links:

Spotify Podcast

 

Audio-Transkript

WENDLANDLEBEN:

Hallo und willkommen zu Wendlandreden, dem Podcast über Work Life Land und den Sinn für eine gute Zukunft. Wir reden hier mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten. Heute „Neue Arbeit, Neue Struktur“. Arbeit entwickelt sich, wird flexibler, digitaler, vielleicht heimeliger oder selbstständiger. Durch den Breitbandausbau, den Zeitgeist oder die Familie. Was davon kommt im Wendland an oder ist hier schon zu Hause?

Wir sprechen darüber mit drei Wendländer*innen vom Fach:

Anja Petz: Sie arbeitet als Geschäftsführung bei der KURVE Wustrow, der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktionen, ein Verein, dessen Organigramm schon nicht so viel mit klassischen Hierarchien zu tun zu haben scheint.

Neben ihr sitzt Tom Collerton. Der ist als ITler aus Australien ohne Probleme hier im Wendland fähig zu arbeiten. Er sitzt dazu im PostLab Kreativlabor, einem Coworking-Space in Lüchow.

Und zu Gast ist noch Hans-Albrecht Wiehler. Er macht den Coworking Space in Hitzacker und ist Koordinator des Regionalbüros für Coworkland. Das ist eine Genossenschaft, die neue Arbeitsorte jenseits der Metropolen schafft.

Mein Name ist Steffen Rudnik, ich bin selbst zugezogen und habe zunächst meine Arbeit aus Berlin hier mit hergenommen. Jetzt arbeite ich mit Sigrun Kreuser zusammen bei der Agentur Wendlandleben, einer Initiative, die seit 2017 beim Ankommen, Leben und Arbeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg begleitet und Neu-, Alt- und Bald-Wendländer*innen vernetzt.

Das Gespräch habe ich 2023 live vor Publikum geführt, während der KLP, der Kulturellen Landpartie, einem zwölftägigen Kulturfestival, das seine Wurzeln im Widerstand gegen das Atommülllager Gorleben hat. Wenn ihr also Geräusche und Trubel während des Panel-Talks wahrnehmt, das hat damit zu tun, dass hier ordentlich was los war bei uns auf dem Land…


Genau, dann legen wir los. Hans-Albrecht, was macht der Co-Working-Space? Wofür ist der da? Was machst du da?

 

HANS-ALBRECHT:

Genau, dieser Co-Working-Space in Hitzacker ist entstanden eigentlich aus einem Bürgerverein, aus einer Bürgerinitiative. Wir wollten etwas gegen Leerstand tun und haben in verschiedenen Ladenleerständen Hitzackers eine Fotoausstellung gemacht und dort war die Abschlussveranstaltung. Und da kam die Idee auf, weil ich wurde damals auch gerade selbstständig und einige andere auch: „Mensch, warum stellen wir nicht einfach ganz rudimentär ein paar Tische rein, dann können wir ja arbeiten.“ Und das haben wir dann mit dem Besitzer auch geklärt. Der sagte, ja, wir können hier nicht investieren, aber bitte macht das, tragt die Betriebskosten, das war's. Und dann wurde es halt Winter und es wurde kalt und wir merkten, okay, wir müssen investieren, weil sonst wird das nichts. Und da musste ein Geschäftsmodell her. Und ich hatte halt schon vorher ein bisschen Kontakt zum Thema Coworking gehabt in Hamburg und Berlin und dachte, Mensch, ist das nicht was für Hitzacker? Und dann haben wir angefangen und haben letztendlich sehr bootstrapping, so sagt man ja, also quasi so mit dem eigenen Vermögen und Geld dann letztendlich investiert ganz langsam ganz behutsam Leute eingeladen. Die haben gearbeitet und aus den Erlösen investieren wir jetzt immer weiter und immer weiter und es entsteht langsam ein Raum. Er ist tatsächlich zur Zeit nicht so stark von Co-Workern besetzt. Wir haben vor allem auch sehr viele Veranstaltungen, ehrlich gesagt. Also wir haben jetzt ganz aktuell einen Sprachkurs drin oder wir hatten die LEADER-Aktionsgruppe oder die Glasfasernetzberatung ist jetzt bei uns. Und die Solawi, ein gemeinschaftsgetragener landwirtschaftlicher Betrieb, der hat seinen Sitz dort, macht dort seine Veranstaltung, und der Bürgerverein tagt da. Und ansonsten sind auch die einen, zum Beispiel gerade jetzt zur KLP, hatte ich eben mal Studienkollegen, einer aus Berlin, einer aus Hamburg, einer aus München, die sich treffen wollten, die wollten auf die KLP. Und am Freitag haben sie halt bei mir gearbeitet. Der eine kommt aus dem Bereich Start-up-Finanzierung, der andere war selbstständig mit Energieberatung. Das war ganz spannend, weil ich hab sie mal gefragt, was braucht es denn eigentlich, damit ihr dann vielleicht hier auch mal nach Hitzacker kommt und auch bleibt und hier eure Steuern zahlt? Und da waren wir, glaube ich, mit dem Angebot, was da mittlerweile ist, schon recht nah an deren Vorstellung dran. Ich glaube, da fehlt noch ein bisschen was. Ich glaube, die Flexibilität, da einer meinte, okay, ich muss so viel arbeiten, ich will dann irgendwann flexibel abends irgendwo hingehen, wo mir was geboten wird. Das ist vielleicht etwas, was bei uns ein bisschen anders ist. Im Wendland, hier organisieren wir selber das, was uns geboten wird. Und das bedeutet natürlich auch, Zeit mitzubringen. Aber ansonsten waren die sehr offen. Ich träume davon, dass wir irgendwann vielleicht auch mehr junge Gründer, vor allem aus dem grünen Bereich, ansprechen können. Und einige sehen wir jetzt in Hitzacker auch schon mit den Guten Kulturen und mit dem Lehmladen zum Beispiel. Dass wir halt wirklich solche Personen mehr an uns binden können, um halt vielleicht da so einen kleinen Cluster, vielleicht auch rund um den Co-working-Space, zu etablieren. Aber das sind Träume. Die Corona-Pandemie hat sehr dazu beigetragen, dass das Thema stark diskutiert wird. Es sind auch einige Leute, die bei uns jetzt arbeiten oder gearbeitet haben, die komplett von ihren Arbeitgebern aus Berlin zum Beispiel Deutsche Bahn komplett zu Hause arbeiten dürfen, denen dann die Decke auf den Kopf fällt und sie sagen, Mensch einmal die Woche an unserem Dienstag, wo wir häufig Community Lunch haben, wo also ganz viele Leute aus Hitzacker zusammenkommen, um zu essen, dann kommen die meistens arbeiten da, dann gehen wir zusammen essen und arbeiten danach noch weiter und sind dann aber eben nur punktuell da.

 

WENDLANDLEBEN:

Also konkret klingt das aber eigentlich ganz einfach. Wenn ich in meinem Homeoffice keine Lust mehr hab, geh ich einfach in Hitzacker vorbei, klopf und wenn ein Platz frei ist, arbeite ich einfach. Und hab wahrscheinlich ziemlich viele Leute um mich rum, die interessante Themen mitbringen.

 

HANS-ALBRECHT:

So ist es. Also erstens, du bist herzlich eingeladen. Wir sind von 9 bis 17 Uhr eigentlich geöffnet. Es ist momentan so, dass wir das noch recht unkompliziert handhaben. Also, wenn ich mal nicht da bin, dann kriegst du halt den WLAN-Code und dir wird gezeigt, wie die Kaffeemaschine oder das Kaffeemachen funktioniert und dann geht's los. Dann suchst du dir einen Platz, klappst den Laptop auf, fängst an zu arbeiten. Und dieser Austausch, der ist nicht organisiert, sondern der passiert natürlich zufällig. Also du lernst Leute kennen, häufig dauert das auch dann ein bisschen länger, aber und dann tauscht sich aus und hier und da entsteht dann auch mal ein Gespräch vielleicht, was zu einer Zusammenarbeit oder einem Projekt führt oder führen kann. Mir fehlt noch so ein bisschen die kritische Masse, ich bin eigentlich noch zu klein, damit immer genug Leute da sind, damit so ein Gespräch auch noch stärker stattfindet. Also wir müssten eigentlich noch ein bisschen wachsen. Und wir müssten nochmal, momentan mache ich das sogenannte Community Management, also dieses Einladen, Leute auch begrüßen, auch verbinden, sich vorstellen. Und ich glaube, das müsste ich auch nochmal in andere Hände legen. Das ist natürlich immer eine Frage von "Tragen das die Einnahmen?" haben. Aber das ist so der nächste Schritt, weil ich merke, wenn man richtig ein starkes Netzwerk entwickeln will, dann braucht man einfach Kümmerer, die wirklich ganz sogar bei der Sache sind und so etwas aufbauen. Aber ja, es ist ein Beginn. Ich würde sagen, wir wachsen weiter, es baut sich aus. Wie gesagt, sehr langsam, weil wir nicht investieren, sondern wir nehmen ein und reinvestieren sozusagen. Andere Spaces, die gehen da ganz anders vor. Die nehmen halt, weiß nicht was, nehmen eine LEADERförderung und dann bauen die da einen Coworking-Space hin innerhalb von einem halben Jahr und dann geht's los. Das ist einfach ein anderer Ansatz.

 

WENDLANDLEBEN:

Hast du da einen Überblick? Also die Coworking-Landschaft blüht ja, würde ich sagen. Oder ist sie schon wieder am Abebben? Ist das ein Trendthema gewesen? Wird das, ist es zwangsläufig noch ein Thema, mit dem man sich viel intensiver auseinandersetzen muss, weil einfach die Nachfrage so groß ist? Und wie verhält es sich im Wendland im Vergleich zu anderen Teilen der Republik?

 

HANS-ALBRECHT:

Ja, dazu muss ich sagen, über diese Tätigkeit bin ich freiberuflicher Mitarbeiter einer Genossenschaft geworden, die aus Coworking Spaces besteht im ländlichen Raum, wurde später dann hinterher auch dort angestellt, bin jetzt der Ansprechpartner für Niedersachsen und koordiniere 15 regionale Verantwortliche in Deutschland und Österreich. Das heißt, ich gucke jetzt mal so ein bisschen aus einer Adlerperspektive drauf und sage, ja, das Thema entwickelt sich bei uns sehr dynamisch. Momentan sind sehr stark die Kommunen dabei, ehrlich gesagt, das zu treiben. Die rufen uns an, die beraten wir Land auf Land ab. Da ist ein sehr, sehr großes Interesse seit Corona. Es gab sehr viel Förderung, es gab sehr viel politisches Interesse, es gab sehr viele Leute, die sich da auf den Weg machen. Ich glaube aber, wir haken noch ein bisschen an den Punkt, wo eine Unternehmenskultur überhaupt diesen dritten Arbeitsort mit in seine Betrachtung aufnimmt. Klar, für Soloselbstständige wie auch für tatsächlich eine ganze Menge Arbeitnehmer ist das attraktiv und sie nutzen es auch. waren auch, dass mein Arbeitgeber das befürwortet und das auch bezahlt. Und da sind wir an einem Punkt gerade, wo wir aus der Corona-Zeit kommt, die Unternehmen so ein bisschen überfordert sind mit diesen zwei Arbeitsorten. Also die Unternehmenssitze, das verstehen sie und Homeoffice mussten sie jetzt verstehen, gezwungenermaßen. Aber ehrlich gesagt, ich sehe teilweise Tendenzen, die Leute wieder zurückzuholen. Also ich habe von Leuten gehört, die wieder sich einen Zweitwagen anschaffen mussten nach anderthalb Jahren ein größerer Automobilhersteller aus der Nähe, der quasi wieder rückdrehte und sagt, okay, du musst jetzt wieder vier Tage im Office sein, wo dieser ganze Ablauf auch mit familiären Dingen plötzlich wieder komplett zurückschnappte auf vorher. Das heißt, wir warten noch so ein bisschen darauf, dass Unternehmen diese Kultur leben. Es ist mir egal, wo du bist. Mir ist wichtig, dass du gut produktiv arbeiten kannst, dass du zufrieden bist, dass du deswegen mich auch übrigens als Arbeitgeber aufsuchst, weil nach einer Studie sagt jeder vierte Arbeitnehmer, er würde den Arbeitgeber wechseln für ein Co-Working-Space-Angebot. Das ist eine Ernst & Young-Studie aus Österreich allerdings, aber trotzdem, da sind wir noch nicht. Wenn das passieren würde, das wäre natürlich ein Hammer. 60 Prozent der sozialpflichtig Beschäftigten pendeln in Deutschland. Ungefähr ein Drittel kann mobil arbeiten, kann sich das aussuchen, muss ich mir mal vorstellen, was das für ein Potenzial ist. Aber da sind wir eben noch nicht. Und insofern ist es ein langsam wachsendes Thema, aber wir haben nicht diese explosionsartigen Nutzerzuwächse.

 

WENDLANDLEBEN:

Das ist eine steile Vorlage natürlich für Tom, der als Produktdesigner, für den es schwierig gewesen wäre zwischen Sydney und Berlin zu pendeln, dieser Erfahrung gemacht hat. Magst du uns daran teilhaben? Wie kam es dazu, dass du jetzt im Wendland bist?

 

TOM:

Ich kann das sehr lange erzählen meine Geschichte. Ich versuche, das ein bisschen zu verkürzen. Da sitzt meine Freundin, das ist Heike. Ich bin vor zehn Jahren nach Europa gekommen. Ich habe ein Gap-Year genommen, um zu reisen. In der Zeit bin ich ab und zu in Hamburg, weil ich hatte einen guten Kumpel, der damals gewohnt hat. Und in der Zeit, als ich in Hamburg war, habe ich Heike kennengelernt auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Am Bahnsteig, ich hab sie nach Kippen gefragt und so hat es angefangen. Irgendwann bin ich wieder nach Australien gegangen und wir waren immer noch in Kontakt, damals mit Skype. Das war vor WhatsApp und alles. Irgendwann haben wir realisiert, dass da doch Gefühle sind füreinander. Und dann kam Heike nach Australien und wir haben dort, ich glaube, ein Jahr gewohnt. Und dann wollte Heike wieder nach Deutschland gehen. Und ich hatte es schon ausprobiert und gedacht, warum nicht? Ich probiere das. Und dann sind wir nach Hamburg gezogen und haben für sieben Jahre in Hamburg gewohnt. Und dann, ja, Heike wollte immer hier wieder zurückziehen ins Wendland, weil sie wurde hier geboren und aufgewachsen. Und für mich, ich komme aus Sydney, das ist eine Großstadt. Also es ist vor allen Dingen für mich in Deutschland, also das ist eine total andere Kultur. Und das ist so ein Kulturunterschied. Aber für mich als ein Mensch aus Sydney, aus einer Großstadt, es gibt auch diesen Unterschied zwischen Stadt und Land. Da war ich nicht so heiß drauf, ehrlich gesagt. Also erst mal. Aber so langsam, ja, hat das ein bisschen geendet. Also wir verändern uns als Menschen immer. Und ich war so Stück für Stück ein bisschen mehr offen für das Leben und Heike hat ein Haus gekauft, weil das war immer ihr Traum. Und ich bin einfach dazu gekommen. Das war vor einem Jahr. Es ging ganz gut. Ich vermisse Hamburg tatsächlich gar nicht. Also ich bin immer noch mit meiner Heimat sehr gebunden. Und ich bin ab und zu da, also wir reisen dort relativ oft. Also ich war zum Beispiel am Ende letztes Jahr für drei Monate dort, weil ich keinen Bock hatte auf Winter hier. Also für uns, wir versuchen jetzt, unser Leben in beiden Ländern irgendwie zu entwickeln. Und das klingt für viele Menschen, glaube ich, sehr unrealistisch. Für mich manchmal auch. Aber so muss es sein bei uns. Ich glaube, es ist tatsächlich möglich in dieser Welt, wo man überall arbeiten kann, dass es schön möglich ist in irgendeiner Art und Weise. Und wir sind jetzt im Prozess, das hinzukriegen. Aber ich bin eigentlich sehr glücklich hier. Erstmal… Das ist ganz gut.

 

WENDLANDLEBEN:

Der Kontakt zu Wendlandleben kam ja vor dadurch zustande, dass unser Büro in der Salzwedeler Straße über dem PostLab ist, wo du regelmäßig gearbeitet hast. Was hast du da gemacht?

 

TOM:

Ich habe dort für eine Firma, das heißt Shopify, gearbeitet. Das ist ein riesiges Unternehmen. Das ist einfach beschrieben so ein Baukasten für Menschen, die Online-Sachen verkaufen wollen, einen Online-Shop zu erstellen. Ich bin da als Produktdesigner angestellt, als Senior-Produktdesigner. Und ich bin relativ neulich tatsächlich freigestellt von denen. Die haben so eine Massenkündigung gemacht und ich arbeite für die nicht mehr. Ich durfte auch überall arbeiten und ich habe probiert, von zu Hause aus zu arbeiten. Aber das war für mich... Also für mich ist Arbeit immer mit Menschen verknüpft. Und dieses Homeoffice-Arbeiten, das hat Vor- und Nachteile. Und ich glaube wirklich, dass das für viele Menschen funktioniert. Aber das fehlt mir immer. Und ich glaube, in dem Bereich, dem kreativen Bereich, ist es ganz wichtig, mit Menschen zu arbeiten. Ja, ich fahre immer noch zum PostLab hin und ich arbeite nicht mit den Menschen, mit denen ich wirklich arbeite. Ich habe nur andere Menschen, die den Co-Working-Space auch benutzen. Aber wenigstens hat man dann die Gelegenheit, mit irgendjemandem zu quatschen ein bisschen oder einen Kaffee zu trinken oder so was. Das ist auch cool. Und ich glaube, ich brauche so eine starke Abgrenzung von meinem privaten Leben und mein Arbeitsleben. Und wenn ich alles zu Hause gemacht habe, irgendwie war für mich die Grenze zwischen Arbeit und meinem privaten Leben unklar. Ist das "Work from home" oder "Live at work"? Ja, durch das PostLab war das eine total coole Gelegenheit für mich hier, weil es war mir immer wichtig hier im Wendland mein eigenes Ding aufzubauen und ja nicht nur abhängig von meinem Partner zu sein, sondern dass ich mich mit Menschen treffen kann, Menschen sehen kann, die auch in einer ähnlicher Branche sind..

 

WENDLANDLEBEN:

Machst du dir als Produktdesigner, der jetzt quasi gerade arbeitslos geworden ist, Sorgen hier im Wendland keinen neuen Job finden zu können?

 

TOM:

Erstmal eigentlich nicht. Also jetzt renovieren wir unser Haus, weil das Ziel ist noch mal eine Zeit lang in Australien zu verbringen. Aber ich glaube Remote ist für viele Arbeitgeber, das ist so, die Menschen, die Jobs suchen, erwarten das von vielen Firmen, also in dem Tech-Bereich. Dass ich keine Arbeit finden kann, mache ich mir keine Sorgen. Aber für mich ist es eher das Thema jetzt, was will ich eigentlich machen? Weil der Job für Shopify war cool und so, aber ich habe mich nie richtig identifiziert mit meiner Arbeit. Das war keine Leidenschaft. Und ist auch für viele Menschen so, dass Arbeit keine Leidenschaft ist. Ich weiß das auch, und das ist auch okay so. Aber ich habe vielleicht jetzt eine Chance, irgendwas zu machen, was mir richtig Bock macht, was ich wirklich von Herzen machen kann. Und ich habe schon lange genug für verschiedene Firmen gearbeitet, wo mir eigentlich am Ende alles scheißegal ist. Sorry, aber es wäre cool, wenn ich irgendwas machen kann. Also ich male ganz gerne zum Beispiel. Also ich bin im Moment sehr heiß auf Acrylfarben und sowas. Und ich zeige das allen meinen Kollegen und meinen Freunden, die meinen, dass das gut aussieht. Vielleicht ist das eine Möglichkeit, keine Ahnung, weil es macht mir wirklich Bock, so was zu machen. Ja, vielleicht, wenn das so, so was klappen könnte.

 

WENDLANDLEBEN:

Wir sollten im Anschluss auf jeden Fall nochmal reden und zu der Wand gehen mit den offenen Stellen. Es gibt genug zu tun, wir kriegen dich auf jeden Fall unter bei Sachen, die sinnstiftend sind und Bock machen. Anja, sinnstiftend, wie egal ist die Arbeit bei euch?

 

ANJA:

Ja, ich dachte auch gerade, es ist eine schöne Überleitung. Bei uns arbeiten die Überzeugungstäter*innen. Ich bin von der Kurve Wustrow, Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktionen. Das beschreibt eigentlich schon, warum dieser Verein vor über 40 Jahren hier im Wendland gegründet wurde und was wir auch im Kern tun. Also wir sind tatsächlich auch überhaupt nicht zufällig hier und bis auf Weiteres würde das Konzept Kurve Wustrow eigentlich auch nur hier funktionieren. Also gegründet im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die geplanten Atomanlagen in Gorleben. Also die Grundidee ist gewaltfreie Konfliktbearbeitung, auch auf gesellschaftlicher Ebene. Also wie können wir mit gewaltfreien Mitteln uns einsetzen für Frieden, Gerechtigkeit, etc. Und die Gründer*innen der Kurve haben damals tatsächlich, 1980 war das, in Deutschland geschaut, wo gibt es hier einen Konflikt, wo wir das praktisch erproben und verbreiten könnten, was unsere Idee ist. Nämlich gesellschaftlichen Wandel mit gewaltfreier Aktion zu erreichen und sind dann so damals auf das Wendland gekommen, weil eben diese Pläne ja relativ neu waren für Gorleben. Der große Widerstand hier begann, und dann hat man gesagt, das ist doch der richtige Ort, um so eine Begegnungsstätte aufzubauen. Dann sind ein paar mutige Leute hierhergezogen, haben ein Haus gefunden in Wustrow, haben dann anfangs auch mit verwischten Grenzen zwischen Arbeit und Privatem, also sind da wirklich eingezogen mit zwei Familien, wo dann jeweils ein*e Partner*in außerhalb arbeitete und einer irgendwie innerhalb haben das Haus renoviert, ihre Familien gestartet und angefangen, ein Bildungsprogramm aufzubauen. Und hätten sich, glaube ich, nie träumen lassen, was dann über die mehr als 40 Jahre passiert ist. Also heutzutage haben wir 40 Mitarbeitende, das heißt, sind ein Arbeitgeber einer durchaus respektablen Größe in Wustrow. Und wir setzen um die 5 bis 6 Millionen Euro Projektgelder im Jahr um. Wir haben 40 Menschen, die in Wustrow arbeiten, zwischen 20 und 30 Menschen, die Friedensfachdienste im Ausland nochmal leisten, das heißt für mehrere Jahre in Partnerprojekten sind. Wir haben ein relativ breites Bildungsangebot und nicht unerheblich auch viele Menschen aus aller Welt, die Friedensaktivistinnen im weiteren Sinne sind, das heißt, die entweder in Organisationen arbeiten oder die politisch aktiv sind, kommen zu uns und lassen sich fort- und weiterbilden, tauschen sich aus. Das heißt, wir bringen dann auch ein bisschen immer wieder die Welt nach Wustrow. Und ja, für die Menschen, die bei uns arbeiten, tatsächlich ist der Sinn, also für die Sache, für den Zweck, mit anderen Menschen, die ähnliche Ziele verfolgen, zusammenzuarbeiten eine ganz wichtige Motivation, warum sie da sind.

 

WENDLANDLEBEN:

Dadurch, dass ihr die Welt nach Wustrow bringt, habt ihr auch ein paar andere innovative Ansätze bei euch in der Kurve. Wenn man hört respektable, große Arbeitgeber, denke ich immer automatisch erst mal klassisch, irgendwie gewachsen. Und da ist Homeoffice dann irgendwann zwangsweise mal dazugekommen. Wie viel weiter habt ihr schon gedacht, was eure Arbeitgeberqualitäten angeht?

 

ANJA:

Das Spannende ist, ich hätte das gar nicht so unter Innovation tituliert. Leute, die manchmal kommen, sagen, oh, das ist aber auch irgendwie retro bei euch. Und es gibt so Ecken. Jetzt haben wir gerade ein neues Tagungshaus tatsächlich gebaut in den Nachbarhäusern da ist das nicht mehr so sehr, aber es hat so ein bisschen 80er-Jahre-Flair auch manchmal. So basisdemokratisches Arbeiten, Konsens, wie können Konsensentscheidungen gehen, ist was, was uns sehr stark bewegt. Und deswegen haben wir sehr viele Beteiligungsstrukturen für die Menschen, die bei uns mitarbeiten. Wir haben auch einen einheitlichen Grundlohn für alle, die bei uns arbeiten. Das ist vom Tagungshaus-Team, das ist bei uns auch fest angestellt. Das heißt, wir haben jetzt nicht Gebäudepflege outgesourced an Honorarnehmer*innen, sondern die sind genauso Teil des Teams wie eben die Menschen, die dann hochprofessionell Friedensfachdienstleistende im Ausland begleiten und betreuen oder eben Finanzflüsse managen, was bei dem Umfang, den ich gerade erwähnt habe, ja auch nicht ohne ist. Das ist für viele wichtig für die Identität der Organisation oder eben so eine Motivation, dann vielleicht auch hinzunehmen, dass ich weniger verdiene als anderswo. So ein Stück weit. Distanzarbeit ist für viele schon immer Teil gewesen, weil wir eben diese Auslandsprojekte haben. Da haben wir tatsächlich noch mal profitiert über die Pandemie-Zeit, dass diese Tools sich noch mal weiterentwickelt haben oder zugänglicher geworden sind, was jetzt Videokonferenz, Technologie etc. Die Grenzen haben wir durchaus auch gemerkt, dass nicht immer die Kolleginnen in Nepal, Myanmar oder Palästina diejenigen waren mit dem schlechtesten Internet. Also wir auch in der Zwangs-Homeoffice-Phase tatsächlich auch Kolleginnen hatten, die einfach abgeschnitten waren zu Hause, weil die kein Internet hatten zu Hause, das in der Lage war, eine Zoom-Konferenz auszuhalten. So, da haben wir dann die Grenzen gespürt.

 

WENDLANDLEBEN:

Aber man muss dann sagen, Gott sei Dank ist der Breitbandausbau im Wendland ja eigentlich so weit fortgeschritten, dass man mit Recht sagen kann, In Berlin ist es schlechterer Empfang.

 

ANJA:

Das haben wir tatsächlich gemerkt, es ist sehr unterschiedlich. Manche hatten dann die Glasfaser, aber andere waren dann auch abgeschnitten. Genau, das war dann spannend. Ja, und ansonsten, was das Homeoffice angeht, tatsächlich haben wir gemerkt, dass wir durchaus, ich sag mal, ortsgebunden und teamgebunden sind. Also der direkte persönliche Kontakt im Team ist für uns sehr wichtig. und wir können da auch nicht komplett drauf verzichten. Und wir sind eine Bildungs- und Begegnungsstätte, das heißt, es ist irgendwie auch wichtig, dass auch Menschen da sind. Und tatsächlich für viele ist es auch eine Motivation, bei uns zu arbeiten oder sich da wohlzufühlen, dass ich eben ins Büro gehen kann und habe da ein Team. Und in der Seminarzeit kann ich in meiner Kaffeepause mit Menschen aus aller Welt smalltalken oder eben, wenn ich Projekte im Ausland betreue, dann habe ich auch immer wieder Menschen aus den Organisationen da, mit denen ich dann direkt reden kann. Also das heißt, dass wir nicht komplett verzichten können auf die Anwesenheit. Wir haben schon gelernt, flexibler zu sein. Und hier auf dem Land hat man ja schnell auch mal lange Fahrwege. Und das jetzt heute nach der Pandemie. Wir haben so ein bis zu 50 Prozent Homeoffice, ist auf jeden Fall möglich. Und das wird natürlich von Kolleginnen, die dann vielleicht auch Richtung der Nachbarlandkreise wohnen, sehr geschätzt, weil es ja auch natürlich eine Kostenfrage ist, dann jeden Tag so viele Kilometer zu fahren.

 

WENDLANDLEBEN:

Als Menschen, die jetzt mit Konfliktlösung und Basisdemokratie sich hochprofessionell auskennen, könnte ich mir vorstellen, dass klassische Arbeitgeber sagen, ja, ihr könnt das machen, weil ihr voll die Experten seid und euch nicht an den Kragen geht. Aber wie viel komplizierter wäre es für klassisch organisierte Unternehmen, auch Basisdemokratie einzuführen und dadurch viel attraktiver eigentlich für Arbeitnehmende zu werden? aus deiner Erfahrung mit, ich denke mal auch, nicht immer einfachen Strukturen, wenn man nicht top-down Entscheidungen trifft.

 

ANJA:

Wir arbeiten ja tatsächlich nicht streng basisdemokratisch. Da sind wir auch eher dabei, uns weiterzuentwickeln, weil wir tatsächlich sehr komplex, sehr ausdifferenziert arbeiten. Und diese wirklich basisdemokratischen Prozesse, wir setzen uns mit dem ganzen Team zusammen und entscheiden Dinge, uns an ganz vielen Stellen überfordert. Wir haben ja auch eine Hierarchie. Also ich bin gemeinsam mit einem Kollegen Geschäftsführung. So, die gab es auch schon, als ich in die Kurve gekommen bin. Das heißt, streng basisdemokratisch war das nicht. Wir gucken dann eher, möglichst viele Partizipationsmechanismen einzuführen. Ich denke, das ist auch für andere möglich. Oder eben zu schauen, wie können wir Hierarchie produktiv nutzen, dass sie an bestimmten Stellen Entscheidungen ermöglicht, verschnellert. Viele Kolleginnen bei uns sagen, wir haben das auch mal basisdemokratisch abgestimmt, tatsächlich ist schon einige Jahre her. Da haben viele Kollegen gesagt, ich möchte gar nicht die Verantwortung für das Ganze tragen, das ist mir viel zu komplex und zu viele unterschiedliche Felder. Ich bin Expertin für Projektfinanzen. Ich möchte gerne in meinem Bereich selbstbestimmt eigenverantwortlich arbeiten. Ich möchte ernst genommen und respektiert werden. die Möglichkeit haben, mich zu äußern zu Richtungsentscheidungen des Vereins oder ich möchte gefragt werden und immer mal auch Auseinandersetzungen erleben. Das ist das, was ich mir wünsche, nicht in jeder Entscheidung zwangsläufig mit eingebunden zu sein und dann eben auch mich kundig machen müssen, mich einlesen müssen und einen Teil der Verantwortung für das große Ganze zu tragen. Und das würde ich sagen, ist heute auch noch so. Und da versuchen wir dann mehr klarer auch hinzuarbeiten, dass Menschen ja eigenverantwortlich mit Entscheidungsspielraum in ihrem Arbeitsbereich arbeiten und es Konsultation, Transparenz und Durchlässigkeit gibt zu den anderen Arbeitsbereichen und zu den Richtungsentscheidungen. Was die Richtungsentscheidungen angeht, wir sind ja auch ein Verein, das heißt die Mitgliederversammlung ist das höchste Gremium, die quasi die ganz großen Entscheidungen treffen muss. Wir sind ja kein Betrieb in dem Sinne, sondern haben eben die Menschen, die uns ideell unterstützen, noch außen rum Und wenn man das möchte, auch als normales Unternehmen, es gibt da auch sehr viel gute professionelle Begleitung, partizipative Strukturen aufzubauen oder eben konstruktive Konfliktkultur auch ein bisschen zu üben. So Konkurrenz spielt eine relativ kleine Rolle bei uns, weil man eben auch wenig Karriere machen kann. Also dadurch, dass es einen Einheitslohn gibt und jetzt keine Karriereleiter, die man so schrittweise erklimmen kann, Das macht natürlich auch was, also dass das Level an kooperativer Arbeit sehr hoch ist, würde ich sagen. Das ist wahrscheinlich anders in einem Unternehmen, wo ich vielleicht auch reingehe und denke, ich will hier nach oben kommen. Es wird ja immer wieder behauptet, oder wahrscheinlich war das ja lange Zeit auch so, dass man ja im Wendland wohnt auch gar nicht so viel Geld braucht, weil ja hier alles so günstig ist, angefangen mit Wohnraum und sonst auch alles. Man verzichtet sonst vielleicht auch einfach auf Dinge, wo man in der Stadt ganz viel Geld für ausgeht. Das hat sich ja mittlerweile auch so ein bisschen geändert.

 

WENDLANDLEBEN:

Unser großer Überbegriff ist ja "Work, Life und Land". Und in der heiß diskutierten Debatte um junge Leute und wie sie eigentlich arbeiten wollen oder nicht arbeiten wollen, ist ja immer wieder von der älteren Generation eigentlich zu hören, ja, ihr wollt viel, aber ihr wollt halt eigentlich nicht mehr viel arbeiten. Inwieweit sind eure Erfahrungen jetzt Wendland-spezifisch hier gegeben, was diese Work-Life-Balance in der Realität angeht oder den Anspruch? Wie äußert sich das jeweils bei euch?

 

HANS-ALBRECHT:

Das heißt ja, die Verteilung von Arbeitszeit, Nichtarbeitszeit. Ich glaube, das ist persönlich sehr stark abhängig. Also, ich muss schon sagen, dass man auch hier 60-Stunden-Wochen machen, 70-Stunden-Wochen. Muss man nur die Landwirte mal fragen. Aber auch andere Leute, die tatsächlich ... Bei uns gab's auch teilweise Spitzen, wo ich mich fragte, ich wohne an der Elbe, ich wohne in einer der schönsten Gegenden Deutschlands. Es gibt so viel zu entdecken, so viel zu machen. und trotzdem findet man nicht die Zeit dafür. Es ist schon manchmal Widerspruch. Ich glaube, so stark ist der Unterschied jetzt nicht, was die Arbeitsbelastung angeht. Aber ich glaube, es gibt viele Leute, die es hier auch anders leben und die dann auch immer wieder ein bisschen inspirieren, das anders zu machen. Da muss man immer wieder zurückfinden dazu. Und ich finde auch, dass man immer mal wieder runtergebremst und runterbeschleunigt wird von seinem Umfeld, also insofern ja. Aber ich glaube, ansonsten stecken wir alle in recht ähnlichen Zwängen. Und das orientiert sich dann eher vielleicht an unterschiedlichen Sektoren, ob ich im Non-Profit-Bereich unterwegs bin oder vielleicht irgendwie für einen Konzern arbeite oder, oder. Und natürlich auch sehr stark hat das was mit Persönlichkeitsstruktur zu tun, wie wir bei uns auch immer sehr stark merken. Weiß nicht, ob das hilfreich ist, aber...

 

WENDLANDLEBEN:

Weiß nicht. Stimmt das, was Hans-Albrecht sagt?

 

TOM:

Ich sehe das nicht so, dass das Work-Life-Balance hier in Wendland besser ist als in der Stadt. Ich glaube, das Work-Life-Balance ist für jeden unterschiedlich. Also das ist nicht für jeder so ein Fifty-Fifty oder keine Ahnung. Also ich glaube, viele Menschen können viel mehr arbeiten als andere und sind damit glücklich.

 

ANJA:

Ja, würde ich erst mal zustimmen, was die Work-Life-Balance angeht. Also bei uns ist es auch ein Thema, eben das Thema der Überzeugungstäter*innen. So im Sinne von, kann ich Feierabend machen, wenn eben die Partnerinnen, die ich betreue, immer noch im Krieg leben und dann zu lernen, dass es wichtig ist, das dann trotzdem zu machen. oder eben, dass es auch Themen sind, die man nicht so leicht bei der Arbeit lässt. Nach dem Geld hattest du noch gefragt. Es ist sicher nicht mehr die Zeit, wo ich für kleines Geld jetzt, wo immer ich möchte, einen schicken Hof im Rundlingsdorf kaufen kann. Wobei auch früher hätte ich noch viel Zeit in diesen Hof stecken müssen, um dann wirklich da leben zu können. Aber schon spürbar, dass so Immobilienpreise deutlich ansteigen. Ansonsten, also es hängt von persönlichen Präferenzen ab. Aber wir leben zum Beispiel in einem Gemeinschaftsprojekt, das genossenschaftlich organisiert ist. D.h., wir haben ein wunderschönes Grundstück mit vier Familien und zahlen eine sehr kleine Miete, weil das wirklich nur die gemeinsamen Unkosten sind und was man für Haus- und Grundstückskosten hat, die wir umlegen. Wir machen immer noch viel selber. Mein Partner ist ein leidenschaftlicher Gärtner. D.h., wir essen auch viel Gemüse aus dem eigenen Garten und profitieren auch viel. Es gibt ja unterschiedlichste Netzwerke, Food Saving. Dadurch, dass wir auch eine Gemeinschaft sind, muss man dann nicht selber überall super aktiv sein. Eine Mitbewohnerin von mir war sehr aktiv in einem Food-Saving-Netzwerk. D.h., da kamen dann auch immer mal wieder Lebensmittel rein, was dann, ohne dass das jetzt das Ziel gewesen wäre, aber was die Haushaltskasse natürlich entlastet. Also meine Vermutung wäre, wenn man Lust hat an so einem vielleicht auch etwas autarkeren Lebensstil, dann hat man hier, glaube ich, mehr Freiräume dafür als in der Stadt.

 

HANS-ALBRECHT:

Das stimmt dieses Lebensmodell, gerade zu sagen, ich habe zwei Beine: in der Selbstversorgung und ich habe einkommensabhängige Arbeit, das geht hier schon. Würde gehen, nicht jeder macht das vielleicht, aber ich meine, ich brauche hier den Boden. Und das gilt ja auch für andere Dinge. Es werden ja auch andere Dinge selbst produziert, die fürs Leben wichtig sind. Und zum Beispiel auch, dass wir das Carsharing haben, ist ja auch eine tolle Sache. Man sagt, okay, da kann ich irgendwie auch Dinge teilen. Also es gibt schon viele Möglichkeiten hier. Das stimmt schon, ja.

 

WENDLANDLEBEN:

Ich hätte jetzt geschätzt, dass es aber auch gezwungenermaßen, man Dinge teilen muss. Also schön, dass du das ansprichst mit der gemeinschaftlichen Wohnsituation tatsächlich. Weil also von Wendlandleben haben wir natürlich viel mit Träumen auch zu tun, mit Träumen von Menschen, die aufs Land wollen, sich das ganz gut vorstellen. Und super, ich muss nur noch vier Tage die Woche arbeiten und dann habe ich diesen riesen Hof und habe frei. Es ist natürlich schwierig. Wir haben das Thema "Wie wollen wir wohnen?" bereits gehabt und dass es mit den Höfen nicht so einfach ist, dass es einfach sehr, sehr viel Privatarbeit möglicherweise ist, die auf einen zukommt. Den Zahn gibt es bei manchen Menschen dann immer noch zu ziehen. Was wären eure persönlichen Ratschläge an Menschen, die sagen, sie wollen gerne ins Wendland und hier leben und arbeiten? Was sind die Do's und Don'ts, worauf man auf jeden Fall achten sollte?

 

ANJA:

Also möglichst ehrlich prüfen, was mag ich und was mag ich nicht so. Und wenn ich zum Beispiel davon träume, mir irgendwie irgendwo einen Hof zu wohnen und den zu renovieren, bin ich wirklich ein Mensch, dem das Spaß macht, nach Feierabend am Wochenende an meinem Haus rumzuwerkeln. Und es gibt Menschen, die sind total glücklich, wenn sie das tun dürfen. Und es gibt Menschen, die empfinden, dass für die ist das noch eine Arbeit. Ich zum Beispiel liebe nicht das Renovieren. Das war für mich klar. Ich und mein Partner kaufen uns einen alten Hof, ist einfach kein gutes Modell, weil uns fehlt die Dauerlust, ständig am Haus rumzuwerkeln. Und dann ist es halt eine Bürde. Oder eben ich habe so viel Geld, dass ich das alles machen lassen kann. Dann brauche ich aber eine andere Dimension von Einkommen. Also tatsächlich da ehrlich zu gucken, was macht mir Spaß, was macht mir Freude, was macht mir keine Freude. Auch Garten ist nicht jedermanns Sache. Für manche ist das Ausgleich, im Garten rumzubuddeln und für andere ist es Stress. Und ich glaube, wenn es eine Zusatzaufgabe ist, dann fühlt sich das ganz anders an und dann geht es vielleicht auch nicht auf.

 

WENDLANDLEBEN:

Das wäre nämlich tatsächlich meine These, dass im Wendland dadurch, dass es privat so viel zu tun gibt, Dinge auf die Beine zu stellen, dass eventuell hier der Zwang oder die Perspektive auf diese anderen Prozent, in die man Lohnarbeit nachgibt, relativ groß ist und man eventuell eigentlich gut organisiert ist, um einen Transformationsdruck auf eine traditionelle Arbeitswelt auszuüben. Ist das eine zu steile These oder?

 

HANS-ALBRECHT:

Erstens lässt sich das schwer trennen. Wohnen und Leben ist hier wirklich auf dem Land grundsätzlich einfach doch sehr eng verbunden. Irgendwie ist es so, wohnen, leben, arbeiten. Das ist ja auch das, was wir hier so schätzen. Dieses aus einem Stück, aus einem Guss Leben, integriert Leben. Und deswegen, ich kann nur den Rat geben, deswegen will ich jetzt mal nicht so aufs Arbeiten fokussieren, sondern einfach, kann nur von uns erzählen, wir sind halt wirklich sehr, so ganz langsam hier angekommen. Wir hatten erst die Möglichkeit, mit einer Freundin zusammen ein Ferienhaus zu haben und wir hatten Glück, dass die Familie meiner Frau schon da war. sind wir häufiger hier gewesen, da waren wir die Wochenenden fast jedes Wochenende da, dann ist meine Frau übergesiedelt und ich bin dann irgendwann auch übergesiedelt, das ganze hat vier Jahre gedauert. Muss jetzt nicht so lange sein und ich kenne auch viele die sehr mit einem Kopfsprung hier reingesprungen sind und das hat auch super funktioniert, aber ich glaube, gerade wenn es ein bisschen komplizierter ist, also ich habe sozusagen zwei die arbeiten wollen, beide die auch irgendwie ankommen wollen und auch ihr eigenes Netzwerk aufbauen wollen. Also ich kenne ganz häufig die Situation, eine der Partner ist quasi Wendländer, will wieder zurück in den Landkreis, damit man sozusagen nicht so ein Anhängsel bleibt, braucht man ja auch eine Zeit und auch Räume, um sich seine eigene Welt aufzubauen. Und das braucht Zeit und ich glaube da ist auch gerade derjenige, der dann aus Hamburg mitgenommen wird oder ich dann eben aus Berlin, der muss auch erstmal gucken, ist das was für mich und dann geht man erstmal mit dem großen Onkel ins kalte Wasser und dann langsam geht man Schritt für Schritt weiter. Und das finde ich eigentlich eine Sache, wo auch Wendlandleben halt großartig ist. Ganz kurz mal hier Applaus, weil ihr sozusagen, und das müssen Kommunen auch zukünftig mehr tun, sie müssen einfach helfen, den Leuten Schritt für Schritt aufzuzeigen, wie können sie ankommen. Also wir haben, war auch mal Teil eines EU-Forschungsprojekts, gerade aufgehört, da sprachen wir von Landebahn. Weil dieser Sprung aufs Land, der ist eigentlich unrealistisch in den meisten Fällen. oder nur was für echt tollkühne Naturen. Weil es ist häufig nicht so einfach. Find ich jedenfalls. Und ich würd auch sagen, mal ein Winter im Wendland verbringen, ne? Das finden wir alle super. Und die KLP fixt alle an. Und dann wollen sie alle gleich Resthöfe kaufen. Und dann stehen sie hinterher mit Blaumann im kalten November und klöppeln an ihren Fassaden rum. Und sind im nächsten Sommer wieder weg. Ihr stellt ja auch ein Muster fest der Motivation, der Lebensalter, der Gründe, warum Leute hierher kommen.

 

WENDLANDLEBEN:

Ja, ich würde sagen, am leichtesten haben es schon die, die selbstständig auch was, die proaktiv sind. Also wer darauf wartet, Angebot geliefert zu bekommen, würde tendenziell eher unglücklicher werden, als die, die einfach Lust haben, selbst was auf die Beine zu stellen. Der Raum, um was zu gestalten, ist da, würde ich sagen, immer noch. Also, ich meine , wo sonst? Aber man muss es dann halt auch machen. Wer wartet und zu Hause sitzen bleibt, egal, wie schön es zu Hause ist, verpasst vielleicht was.

 

TOM:

Ich glaub, es gibt hier viel mehr, als man denkt. Man muss es ein bisschen mehr proaktiver aussuchen. In der Stadt ist es viel einfacher, so was zu finden, mehr passiv. Ich kann das Wort nicht auf Deutsch übersetzen. Passiv und proaktiv. Passiv ist halt, das kommt zu mir. Ich muss das aussuchen und es gibt so viele Dinge hier. Ich bin hier viel mehr zufrieden, als ich dachte vorher. No way, Alter. Das war für mich wirklich ein No-Go. Die wissen das alle auch. Aber ja, ich bin erstaunt, wie gut das hier eigentlich ist für mich. Ich musste ein bisschen mehr aus meiner Komfortzone gehen, um diese Zufriedenheit zu finden hier. Sonst.. das hat ne wichtige Rolle gespielt. Bestimmt.

 

ANJA:

Ja, es war für mich tatsächlich auch so. Ich habe nie vom Landleben geträumt. Ich bin wahrscheinlich ungewöhnlich hierher gekommen. Dadurch habe ich mich auf den Job beworben bei der Kurve Wustrow, weil das eine Organisation war, die Sachen gemacht hat, die ich auch machen wollte. Habe den Job bekommen, dachte dann gut, dann gucke ich mal, wie das da ist. Tatsächlich herausfordernd ist das Partner Partnerinnen Thema, wenn man dann sich wünscht, dass der oder die Liebste dann mitzieht, braucht er oder sie natürlich auch Optionen. Da war für uns oder für meinen Partner tatsächlich auch das PostLab in Lüchow nicht unwichtig als ein Ort, wo man erst mal andocken, vernetzen kann. Der hat zwischenzeitlich dann ein eigenes Projekt hier aufgebaut und hat jetzt auch Mitarbeitende. Aber um das wirklich zu machen, sind solche Räume sehr, sehr wertvoll, weil das eben dann alleine zu Hause vom Schreibtisch außen noch mal schwieriger ist. Also so und da haben wir oder er auch unterschiedlichste Dinge ausprobiert wie Pendeln nach Berlin wochenweise etc. Aber letztlich sind wir beide am glücklichsten, wenn wir auch da arbeiten können, wo wir leben. Ja, weil das einfach dann, man verliert weniger Energie ans Pendeln und es ist eine rundere Sache so.

 

WENDLANDLEBEN:

Ich würde die Frage tatsächlich gerne noch mal ins Plenum geben. Mögt ihr teilen, in welchen Arbeitsverhältnissen ihr seit/wart /sein würdet und wie ihr ins Wendland gekommen seid?

 

ANTWORT 1 PLENUM:

Also ich kann mal anfangen. Ja, wir sind vor einem Jahr ungefähr hergezogen. Ich habe lange in Hamburg gewohnt, aber ja auch in Australien mit ihm zusammen. Und ich arbeite für eine Digitalberatung in Hamburg und kann halt komplett remote arbeiten. Und das durch Corona auf jeden Fall. Also vorher war's schon, jeden Tag war ich im Office. Und für mich war klar, ich möchte gerne wieder ins Wendland, und dann krieg ich das irgendwie hin. Dieser Wunsch gab es auch schon vor Corona. Dann kam Corona, und jetzt ist alles möglich. Also total cool. Und ich arbeite halt wirklich zu 100 Prozent von zu Hause aus. Und für mich passt das total. Also ich brauch das überhaupt nicht, dass ich mich zwei-, dreimal die Woche mit meinem Team austausche. Weil ich kann das über Zoom machen, reicht aus. Also, ich bin da total happy. Für mich ist es cool, ich hab keinen Arbeitsweg mehr. Damit spar ich so viel Zeit. Ich hab das Gefühl, ich geb mir viel Lebenszeit zurück dadurch und kann meine Mittagspause draußen in meinem Garten verbringen. Für mich hat sich die Lebensqualität gesteigert. Tom ist da ein ganz anderer. Der braucht das PostLab, der ist superhappy darüber. Das ist total cool, das ist diese Möglichkeit, dass wir beide hier remote arbeiten können, aber komplett anders.

 

ANTWORT 2 PLENUM:

Ich bin immer Wendländerin gewesen. Ich bin hier zur Schule gegangen, hab auch immer hier gearbeitet. Auch noch fast immer im selben Betrieb. Für mich ist es einfach spannend zu sehen, wie meine Kinder in der Weltgeschichte das erlebt haben, auf der ganzen Welt, und wie jetzt diese beiden hier zurückgekommen sind. Ich find das supertoll, den Weg, den Tom jetzt gefunden hat, vom reinen Stadtkind. Er hat es ja schon gesagt, ich hätte mir zu Anfang, Er kommt hier ins Wendland. Er war ein Stadtkind, ein Großstadtkind. Und es war schon schwierig, nach Lüneburg umzuziehen. Das war schon zu klein. Und dann noch ins Wendland. Und bis Tom jetzt auch so kennengelernt hat, okay, ich kann mich in den Zug setzen, ich kann nach Berlin fahren, ich kann nach Hamburg fahren. Die Welt ist trotzdem offen. Und er lernt jetzt dieses Leben hier kennen, was wir ein bisschen, ja, noch ein bisschen, will nicht sagen heile Welt, das ist es ja auch überhaupt nicht, aber einfach noch so ein bisschen zwischen Arbeit und Ausruhen immer noch so einen guten Weg haben und uns wohlfühlen können. Und das hat er so ein bisschen auch jetzt auch erleben können.

 

TOM:

Es ist wirklich so (lacht).

 

WENDLANDLEBEN:

So differenziert kann die neue Arbeitswelt sein für jede Persönlichkeit. Ich würde an dieser Stelle sagen, einfach viel schöner als diesen Gemeinschaftsaspekt, dass Menschen wichtig sind für Arbeit, fällt mir gar kein besseres Schluss irgendwie ein. Ich glaube, das ist es und ich glaube, die Menschen, die im Wendland arbeiten, sind alle ganz okay. Insofern an alle, die das jetzt hier als Podcast hören, probiert das mal aus. Vielen, vielen lieben Dank an euch. Danke fürs Zuhören. Bis später. Dankeschön.

 

Das war unsere Folge "Neue Arbeit. Neue Struktur."

Mehr Infos zu den Gästen und ihrem Schaffen findet ihr in den Show Notes. Wissenswertes über den Landkreis Lüchow-Dannberg als Ort zum Leben und Arbeiten, seine Unternehmen, Betriebe, Arbeitgeber*innen, Officeoptionen und so weiter, gibt es auf wendlandleben.de. Dort findet ihr auch die Kontaktinformationen zu uns, bei denen ihr euch melden könnt, wenn auch ihr im Wendland landen wollt.

Wendlandreden ist eine Produktion der Agentur Wendlandleben.

Technische Umsetzung Hannes Gerlof und Simon Kamphans.

Weitere Folgen WENDLANDREDEN über Work, Life, Land und Alternativen findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen.

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