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WENDLANDREDEN - Bitte mit ohne Autobahn

WENDLANDREDEN - Bitte mit ohne Autobahn

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Podcast mit Mareike Harlfinger-Düpow (Mobilitätsagentur Wendland.Elbe), Virginia David (Selbstversuch Auto-frei) und Stefan Eilts (Carsharing im Wendland) über Herausforderungen und Potenziale von Mobilität auf dem Land.

WENDLANDREDEN als RSS Feed: https://anchor.fm/s/e9715914/podcast/rss

Kapitel:

03:00 Erfahrungsbericht von Stefan: 5 Jahre Landleben ohne (eigenes) Auto
03:49 Dörfliches Carsharing: Besonderheiten und Herausforderungen
06:26 Nutzergruppen und ihre Carsharing-Bedürfnisse
09:40 Virginias Erfahrungsbericht: 1,5 Jahre Landleben ohne (eigenes) Auto
3:36 Wann und für wen lohnt sich Carsharing?
14:19 Ehrenamtlich betriebenes Carsharing in der Praxis
16:02 Innovationspotenzial im ländlichen ÖPNV
21:29 Zukunftsfähige Mobilität im Wendland
24:51 Update aus der Mobilitätsagentur 2023/24

Links:

 

 

Spotify Podcast

 

Audio-Transkript

WENDLANDLEBEN:

Hallo zu WENDLANDREDEN, dem Podcast über Work, Life, Land und Sinn für gute Zukunft. Wir reden mit Menschen aus dem Wendland über Transformationsthemen, die sie konkret erleben und mitgestalten.

Heute: „Bitte mit ohne Autobahn“. Schneller im Netz als Berlin, aber ohne Auto aufgeschmissen? Mobilität ist im Ländlichen Raum eine Herausforderung. Auf der Autobahnkarte von Deutschland gibt es ein großes Loch: Das ist das Wendland. Hier gibt es keine Autobahn und übrigens auch keine einzige Rolltreppe. Aber Initiativen! Dazu haben wir uns drei Mobilitäts-Expert*innen eingeladen:

Mareike Harlfinger-Düpow leitet die Landkreis-eigene Mobilitätsagentur Wendland.Elbe, die mit einem Modellprojekt für den ÖPNV, mit Carsharing, Bürger-Mobilen, Fahrradverleih und Mitfahrangeboten klimafreundliche Mobilität fördert und ausbaut.

Virginia Davide hat sich entschieden, ohne Auto auf dem Land zu leben. Geht das überhaupt? Ein spannender Selbstversuch, über den sie nach 1 ½ Jahre resümiert.

Stefan Eilts ist Berufsschulleiter und Radfahrer. Und stellvertretender Vorsitzender im Verein „Carsharing im Wendland“.

Mein Name ist Steffen Rudnik, ich fahre ein vom Land Niedersachsen gefördertes E-Lastenrad und einen Biogas-Caddy. Und ich arbeite zusammen mit Sigrun Kreuser bei der Agentur Wendlandleben. Wir begleiten beim Ankommen, Leben und Arbeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg und vernetzen Neu-, Alt- & Bald-Wendländer*innen.

Das Gespräch mit den dreien habe ich 2023 mit Publikumsbeteiligung in Salderatzen geführt. Einem Veranstaltungsort auf der KLP, der Kulturellen Landpartie, zu der jedes Jahr rund 60.000 Besucher*innen ins Wendland strömen – mit Bus, Bahn, Rad, Campern, Bullies und PKW. Stefan Eilts hat keinen eigenen PKW mehr.

Erzähle gerne mal, wie kam es zu der Entscheidung, dass du vielleicht gar kein eigenes Auto mehr brauchst? Wie bist du zum Carsharing gekommen?

 

STEFAN:

Im Landleben glaubt man ja immer, ohne Auto geht es nicht. Bei uns in der Familie war es so, ich habe ein Auto kaputtgefahren. Das war ungefähr vor fünf Jahren, genau zu dieser Jahreszeit im Frühsommer. Und habe mir dann selbst auferlegt, diesen Sommer wird es mal ohne gehen. Und dann habe ich also das Rad genommen und ja, dann ist aus 2017, da ist das passiert, ist jetzt 2023 geworden und es geht ohne. Allerdings, wie gesagt, bin ich auch Mitglied im Carsharing-Verein und tue da auch so ein bisschen im Vorstand mit und habe den großen, großen Vorteil, das muss ich dann allerdings immer einschränkend dazu sagen, dass in dem Dorf, in dem ich lebe, tatsächlich im Dorf ein Carsharing-Auto steht, was ich auch regelmäßig benutze, wenn es Fahrten gibt, die ich mit dem Fahrrad eben nicht mehr machen kann oder will. Welche Herausforderungen hat man als Bürger, als Bürgerin, wenn man hier lebt und ein Carsharing-Auto nutzen möchte im Vergleich zu jemandem, der in der Stadt Carsharing nutzt? Was wir hier nicht bieten können, ist dieses, wie heißt das, Mareike?

 

MAREIKE:

Free Floating…

 

STEFAN:

Free Floating, also das Ding irgendwo abzuholen, wo es gerade steht und da stehen zu lassen, wo man es nicht mehr braucht. Das kriegen wir hier nicht hin, denn unser Carsharing ist ein Verein, den wir gegründet haben und die Fahrzeugflotte besteht im Wesentlichen aus sogenannten Überlassungsfahrzeugen. Das sind also Menschen, die glauben, ihr eigenes Auto nicht zu 100% selbst nutzen zu wollen oder zu müssen und das dem Carsharing-Verein zur Verfügung stellen. Die stehen dann an verschiedenen Standorten hier im Landkreis verteilt. Der Rest ist, glaube ich, ziemlich analog zu dem, was ich früher, als ich noch in Bonn lebte, bei Stadtauto, hieß es, glaube ich, genutzt habe. Man hat eine App, bucht das Auto über das Handy oder über den Rechner, kommt dann zum Auto, das ist bei mir tatsächlich fußläufig, das Auto steht 100 Meter von meinem Haus entfernt, lockt sich mit seinem Handy in das System ein, dann öffnet sich die Karre, im Auto findet man dann den Autoschlüssel vor, der ist da eingeschlossen und dann fährt man los. Und wenn man den Wagen dann nicht mehr braucht, stellt man ihn an dem Ort ab, wo man ihn geliehen hat. Ja und dann wird das einmal im Monat abgerechnet. Dann bekomme ich einmal im Monat eine Abrechnung und da steht dann drauf: „Eilts, du hast den Wagen dann und dann zu dem Zeitpunkt genutzt, Du hast so und so viele Kilometer gefahren“. Und dann ist das eine ganz normale Mischkalkulation aus Stundenpreis und Kilometerpreis. Das Ganze funktioniert momentan nur nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Das sind jetzt Mareike, ich und ein paar Menschen betreiben das Ganze. Wir beide haben sogar persönlich für jedes... Wir haben zwei geleaste Autos, da haben wir die Leasingverträge unterschrieben als Vorstand. Und das Ziel ist das Ganze mittelfristig zu professionalisieren und als Mobilitätsangebot des Landkreises, und damit kann ich den Ball dann gleich zu dir spielen, in so einen etwas übergeordneten und professionelleren Zusammenhang zu bringen. Als mich der Bürgermeister vor acht oder sechs Jahren ansprach, "Mensch, Stefan, willst du da nicht mittun?", da habe ich so gedacht, das klappt sowieso nie, so ein Quatsch, aber mein Know-how und mein Engagement da mal zur Verfügung. Und wir stellen fest: es funktioniert. Wir werden in vielen Landkreisen, die sowas nicht haben, um so ein dörfliches Carsharing ohne Gewinnerzielungsabsicht beneidet. Das gibt es nicht oft, weil das entweder in größeren städtischen Zusammenhängen von Organisationen betrieben, die letztendlich damit Geld verdienen wollen und auch müssen, oder es ist ein Angebot der jeweiligen lokalen Mobilitätsanbieter wie Stadtwerke oder öffentliche Busgesellschaften. Und hier ist das ziemlich einzigartig als Verein.

 

PUBLIKUM:

Ich habe eine Frage und zwar, wissen Sie etwas über den familiären, beruflichen und auch altersmäßigen Hintergrund der Nutzerinnen und Nutzer. Viele Familien müssen ja nachmittags auch Kinder durch die Gegend fahren. Der eine geht hier in den Sportverein, der andere geht da in eine Musikschule. Und da wäre man wahrscheinlich überfordert. Da kommen ja einige Kilometer zusammen. Also ich wüsste einfach gerne mal, ob es solche Nutzer gibt.

 

MAREIKE:

Also Carsharing ist ja nun mal nicht was für jeden. Das muss man ja auch mal sagen. Die, die viele Kilometer zurücklegen, für die ist das dann auch irgendwann einfach zu teuer. Vorteil ist, man muss sich halt nicht selber darum kümmern, wenn jetzt irgendwie Reparaturen anstehen. Aber ja, also man kann sagen, das ist halt ein Angebot, aber es ist nicht für jeden was. Also oft ist das so, wenn irgendwie so eine Umbruchssituation kommt. Jemand geht in Rente oder also es ist ein älteres Paar. Vorher waren zwei Autos da, beide waren mobil. Dann ist vielleicht nur noch eins nötig und das Carsharing-Auto ersetzt halt das Zweitauto. Das ist eigentlich so eher unser Ansatz. Also wir wollen gar nicht unbedingt voraussetzen, dass das für jeden so das Hauptverkehrsmittel sein muss. Dann kommen wir ja auch schon mit den Kapazitäten so ein bisschen in Bedrohung, sondern eher so, dass das für Familien oder eben auch Ältere einfach eine Option ist. Auto ist kaputt oder wirklich als Zweitwagen für die Familie. Und den Personenkreis kann man gar nicht so festmachen. Das sind Unterschiedlichste. Es waren auch Unternehmer schon, die komplett auf Dienstfahrzeuge verzichtet haben. Und dann den, ich glaube, das war sogar euer Caddy, der dann ganz viel unterwegs war, für Auslieferungen oder so. Also ganz interessante Mischung, die da irgendwie zusammenkommt.

 

STEFAN:

Ich mache mal ein familiäres Beispiel: Meine Frau hat ungefähr zehn Kilometer zu ihrem Arbeitsplatz und nutzt das Auto im Winter, sage ich jetzt mal, an drei von fünf Arbeitstagen. Morgens hin zum Arbeitsplatz und mittags wieder zurück. Das ist so eine typische Nutzung. Die Idee, mit der wir da rangegangen sind, eigentlich den idealtypischen Zweit-, Dritt- oder Viertwagen. Denn hier auf dem Land ist es ja tatsächlich so, ich sehe das gerade in dem Dorf, in dem ich lebe, um uns herum wohnen ganz viele Familien, deren Kinder gerade ins Erwachsenenalter kommen, die machen alle ihren Führerschein und dann wächst die Anzahl der PKWs, die, wenn das Dorfgelände groß genug ist, auf dem eigenen Hof abgestellt werden oder wenn der Platz nicht reicht, stehen die halt alle im Wendehammer herum. Und genau die Idee, mit der sind wir angetreten, zu sagen, eigentlich müsste nicht jeder von denen ein eigenes Auto haben, weil ein Großteil dieser Karren ja einfach nur rumstehen. Das sind eigentlich nicht Fahrzeuge, sondern Stehzeuge. Unsere Idee war bei Gründung zu sagen, der Zweitwagen, der Drittwagen, der könnte eigentlich durch ein Carsharing-Auto ersetzt werden. Und das wird von Nutzern ganz unterschiedlich interpretiert. Also wir, meine Frau und ich ärgern uns immer, wenn der grüne Caddy tagelang nicht da ist und fragt meine Frau, wo ist eigentlich unser Auto? Das ja gar nicht unser Auto ist. Und ich muss dann immer nachgucken in einem System, wer es gebucht hat. Und ihr dann sagen, der ist jetzt gerade 14 Tage unterwegs. Und das ist vielleicht auch etwas, was Carsharing auf dem Lande ausmacht, wenn man nicht so eine Free-Floating-Flotte hat wie in Berlin oder Hamburg. Man muss da schon ein bisschen planen. Also wenn man weiß, nächste Woche möchte ich gerne, was weiß ich, nach Bad Bevensen in die Sauna fahren, dann muss ich das heute buchen. Wenn ich das nächsten Freitagmittag buchen will, dann kann es eben gut sein, dass die Karre nachmittags schon weg ist. Aber wir machen das jetzt ja solange es Carsharing gibt und meine Erfahrungen sind grundsätzlich positiv. Deine, glaube ich, war nicht so, anfänglich… Können wir den Ball da mal rüber spielen.

 

VIRGINIA:

Also als ich das entdeckt hatte, dass es euch gibt, war ich halb froh, weil ich gedacht habe, wow, den Luxus gönne ich mir. Ich muss nichts machen, ich muss nur ein bisschen planen. Ja, was mich sehr gebunden hat, war eben dieses Nicht-Free-Floating. Und ich hatte zwar dann die schöne Auswahl, ein Auto in Vietze zu haben und ein Auto in Gartow, aber die Arbeit war genau dazwischen… Also ich hatte so ein bisschen die Möglichkeit zu wählen. Und in Vietze war aber leider immer so, dass der Wagen Batterieprobleme hatte. Und das dazu kam, dass ich Herrn Gallai kennengelernt habe, der mir immer aus der Patsche geholfen hat, nachdem ich mit dir gesprochen habe am Telefon. Manchmal wahrscheinlich zu unmöglichen Zeiten oder so. Aber ich habe die Wagen schon gut benutzt ebenso für Behördengänge, die ich in der Arbeitszeit erledigen musste, oder Leute vom Bahnhof abgeholt, wo ich wusste, ich kann dann auch wieder zurückbringen oder zum Schwimmen nach Lüchow fahren. Aber ich musste es halt immer verbinden mit einer schönen Fahrradfahrtour zu den geparkten Vehikeln. Und die einzigen negativen Erfahrungen waren wirklich nur diese Probleme des Autos in Vietze. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass ich dann auch pünktlich losfahren kann. Das Buchen war eigentlich nie ein Problem. Ich habe mich immer auf Planung eingerichtet. Ich wusste, ich kann nicht spontan irgendwo hinfahren. Aber so hatte ich mein Leben auch ausgerichtet. Also ohne Auto ist einfach alles nicht ganz so spontan. Und das war in Ordnung, das war kein Problem.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie kamst du generell zu dem Versuch? Steht da eine Haltung womöglich dahinter?

 

VIRGINIA:

Ja, genau. Also, ich hab 15 Jahre in Südafrika gelebt, wo ohne Auto nichts funktioniert. Also die kürzesten Strecken fährt man eigentlich da mit 'nem Auto. Und beruflich war das auch wichtig, eins zu haben. Und ich bin wirklich überall nur gefahren. Ich hab das Fahrradfahren so vermisst aus der Heimat, dass ich gedacht hab, wenn ich wieder zurückkomme, eine lange Phase nur mit Fahrrad und mit allen anderen Möglichkeiten, die die Region bietet. Und natürlich war mir auch wichtig, umweltfreundlich mein Leben zu gestalten. Und jedes Mal, wenn ich aufs Fahrrad gestiegen bin, bei Wind und Wetter, habe ich gedacht, es geht ja doch. Und ja, also es ist immer noch eine sehr gute Erfahrung, aber eben das, was mein Umfeld braucht, ist die Spontanität, die ich einfach nicht habe. Ich kann nicht jetzt gleich nach Platenlaase ins Kino gehen, weil ich dann zwei Stunden in der Nacht durch wendländische, tiefe Wälder radeln muss und ich trau mich nicht. Ja, das ist mein Grund, einer der größten Gründe, warum ich nicht Auto fahren möchte.

 

WENDLANDLEBEN:

Hat sich das aber jetzt geändert? Also was ist dein Fazit nach anderthalb Ich meine, anderthalb Jahre erst mal zu schaffen, ist ja Hut ab.

 

VIRGINIA:

Also Fazit ist, es ist möglich, aber ich bin natürlich auch alleinstehend. Ich hab keine Familie, keine kleinen Kinder. Ich hab dieses sehr aufwendige Herumfahren von Kindern und Familie und Abholen und Beruf und so nicht ganz so stark. Mein Arbeitgeber ist zehn Minuten Fahrradfahren entfernt. Und mein Fazit: es ist als Alleinstehend möglich. Wenn der Arbeitgeber wirklich um die Ecke ist. Es hat allerdings auch zu meinem Lebensstil gepasst, weil ich durch diesen Neustart, durch dieses Ankommen, durch dieses Verwurzeln eh nicht so einen großen Radius brauchte. Also, wenn ich dann mal weit wegfahren wollte, das ist jetzt eine kleine Anekdote, ich bin dann nach Südafrika gefahren, um noch mal meine alte Heimat zu erleben. Und von Tür zu Tür sind das 24 Stunden. Acht davon habe ich von Vietze bis nach Frankfurt gebraucht. (lacht) Das ist halt eingeplant. Ich habe es geschafft, aber es war lang.

 

PUBLIKUM:

Habt ihr eine Zahl, dass man sagen kann, bis so und so viel Kilometer im Jahr lohnt es sich, beim Carsharing mitzumachen?

 

MAREIKE:

Man sagt so 10.000 Kilometer. Es kommt natürlich auch immer so ein bisschen darauf an, welche Voraussetzungen habe ich denn zu Hause? Was für ein Fahrzeug vergleiche ich denn überhaupt? Und wie sind diese Nutzungssätze? Wir sind sehr günstig dadurch, dass wir das eben ehrenamtlich aufbauen und mit Überlassungsfahrzeugen. Das sieht in der Stadt ja schon ein bisschen anders aus. Aber man sagt so…

 

STEFAN:

…um 10. Du kannst auch auf den gängigen Seiten der Carsharing-Anbieter oder auch beim ADAC, der rechnet das vor, alles unter 10.000 bis 11.000 Kilometer geht eigentlich mit Carsharing günstiger, wenn man reale Kosten rechnet und reale Kosten ist die Finanzierung des Autos und und und.

 

PUBLIKUM:

Wenn das ganze ehrenamtlich betrieben wird, wer kümmert sich dann um Wartung und Reparaturen?

 

STEFAN:

Im Verein gibt es die sogenannten Kümmerer. Es gibt so Menschen, die mit dem Verein sich um die Autos kümmern, also dass die Dinger von innen nicht aussehen, wie man sich das so vorstellen kann, wenn viele Menschen ein Auto nutzen, also die das Ding aussaugen, mal von außen waschen und dafür sorgen, dass die Serviceintervalle eingehalten werden. Und dann gehen die ganz normal zur Werkstatt und da werden die dann gewartet oder repariert, wenn was kaputt ist. Das läuft dann auch alles über den Verein. Das, was den Verein am meisten kostet, ist das Reparieren von Autos. Wenn Reparaturen zu leisten sind, dann sonst funktioniert es ja nicht. Autos, die nicht fahren, sind nix wert. Das heißt, wir achten momentan darauf, dass die Überlassungsfahrzeuge, die wir in den Bestand nehmen, so gut sind, dass die eben nicht laufend in der Werkstatt stehen und repariert werden müssen. Lässt sich aber eben manchmal auch nicht verhindern, dann steckt es ja nicht drin.

 

MAREIKE:

Wir haben ja auch schon andere Erfahrungen gemacht, wie zum Beispiel in Vietze mit dem Fahrzeug. Also das war wirklich auch ein Überlassungsfahrzeug von einem Unternehmen übernommen. Da denkt man ja auch, das ist eigentlich ganz gut in Schuss. Und das hat dann in den ersten Monaten so viele Reparaturkosten verursacht. Das ist ein Minusgeschäft geworden, kann man so sagen. Und genau, die Probleme mit der Batterie, dann waren noch deutlich andere Probleme und das hat so viel Geld gekostet und so ein kleiner Verein. Also wir haben um die 350 Mitglieder, das kann man sich vielleicht vorstellen, dass der jetzt nicht unbedingt so viel Geld hat, dass das mal eben locker aus der Tasche zu zahlen ist, wenn da so eine Reparatur in Höhe von 2000 Euro kommt oder so. Ja, das ist das Problem an so einer Vereinsstruktur.

 

WENDLANDLEBEN:

Es gab gerade einmal die Frage, ob es ÖPNV überhaupt gibt. Ich glaube, du kannst da gut drauf antworten…

 

MAREIKE:

Ja, den gibt es! Besonders, wenn man hier nach Salderatzen kommen möchte, gibt es eine wunderbare Verbindung zwischen Lüchow und Uelzen, also die Linie 7000, eine Landesbuslinie. Und wie sieht unser ÖPNV ansonsten aus? Wir haben im Landkreis hauptsächlich die Schülerbeförderung, die aber integriert ist in den ÖPNV. Also man kann als, ich sag mal, Normalnutzender auch die Schülerbeförderung nutzen, einfach in den Bus einsteigen. Und wir haben schon so Linien, die sich als Hauptlinien herauskristallisieren. Und jetzt gerade sind wir als Modellregion ausgewählt worden. Eine von zwölf in ganz Deutschland, bekommen Fördergelder seit dem 1.1.2022 und können den ÖPNV noch mal komplett neu aufstellen. Und das machen wir gerade. Wir möchten so eine Linie wie die 7000, die ja wirklich eine stündliche Verbindung in der Hauptzeit und zweistündlich in der Nebenzeit. Das ist für den ländlichen Raum wirklich gut! Das wollen wir mehr in die Fläche bringen. Also zwischen Lüchow und Hitzacker zum Beispiel soll es genau so eine Verbindung geben. Und dann soll... im Moment haben wir einen Rufbus… Ja, gibt es einige, die damit sehr zufrieden sind, es gibt auch andere, die eine andere Meinung dazu haben. Ich glaube, das gibt es ja für jedes System irgendwie. Den Rufbus wollen wir aber jetzt abschaffen, weil er sehr starr ist. Also man hat ja wirklich eine feste Verbindung, also der hat einen festen Linienverlauf. Da wollen wir so ein bisschen von weg., nicht ein bisschen, wir wollen davon weg und möchten einen On-Demand-Verkehr einrichten. Also man kann sich das nachher so vorstellen, wir haben gut getaktete Hauptlinien zu wichtigen Verbindungen und dann haben wir einen On-Demand-Verkehr, mit dem man auch aus dem letzten kleinen Örtchen irgendwie durch den ganzen Landkreis gebracht werden kann. Oder eben auch als Zubringer zu einer Hauptlinie, wenn mein Ziel auch genau da liegt, wo die Hauptlinie vielleicht endet.

 

PUBLIKUM:

Vom Konzept her, das was im Nahen Osten als „Dolmuş“ oder ähnliches gilt, das heißt du gehst zum Busbahnhof, da sind acht oder zwölf Sitze und dann sagst du die Hauptrichtung an und er macht Schlenker für dich zu kleineren Orten?

 

MAREIKE:

Ja, so ähnlich. Man sucht es dann vorher entweder telefonisch oder digital und sagt Start&Ziel. Das muss auch nicht unbedingt eine Haltestelle sein. Wir möchten das aber ganz gerne an Haltestellen binden, damit irgendwie auch so ein bisschen wieder Identifikation mit dem ÖPNV. Und wir wollen auch Mobilitätsstationen entwickeln. Das ist nämlich auch noch ein Teil aus dem Projekt, was wir umsetzen wollen. Also alle Mobilitätsangebote, die wir im Landkreis haben, und wir haben tatsächlich eine ganze Menge, die auch ehrenamtlich gewachsen sind, also Carsharing ist ja eins der besten Beispiele. All das wollen wir verknüpfen und eben gute Zustiegspunkte schaffen.

 

PUBLIKUM:

Wir haben ja auch noch die Mitfahrbänke und ich frage mich immer, wie gut dieses System eigentlich genutzt wird und ob es im Rahmen dieser neuen Ideen auch Konzepte gibt, um das Trampen irgendwie zu verbessern. Also ich habe da so eine Idee, dass mit so einer Plakette auf dem Auto, ähnlich wie so eine Mautplakette in Kombination mit einer App zu machen, um beiden Seiten sozusagen Fahrerinnen oder Fahrer und auch Mitfahrerinnen oder Fahrer Sicherheit zu geben. Und wird so was angedacht?

 

MAREIKE:

Also ich weiß gar nicht, in den 90ern, glaube ich, waren das so pinke Schilder, die in Lüchow-Dannenberg rumstanden. „Mitsteigtzu“ hieß das, glaube ich. Gab es auch Plaketten, das wurde dann irgendwann wieder eingestellt. Aber die Betreiber der Mitfahrbänke, was ja auch ehrenamtsbasiert aufgebaut wurde, auch die haben so eine Plakette. Also die kriegt man auch bei uns in der Mobilitätsagentur zum Beispiel. Da hat man dann eine Nummer, man wird registriert und hat dann so ein bisschen Sicherheit. Da wird aber nur die Person, die das Auto führt, quasi registriert. Das ist auch wieder so ein Ding, das ist auch wieder was, was nicht für jeden das passende Mobilitätsangebot ist. Und Mitfahren ja genauso. Das Mitfahren ist aber auch ein Thema, was wir auf dem Tableau haben. Wir haben eine Mitfahr-App für Lüchow-Dannenberg entwickelt, wo genau das, was Sie sagen, man registriert sich als Fahrer oder als Mitfahrer, wo genau das abgebildet wird. die Fahrt ein. Ich stelle zum Beispiel morgens immer meine Fahrten zur Arbeit, also ich schaffe es auch nicht jeden Tag mit dem Bus zu fahren, wenn ich mit dem Auto fahre, dann biete ich mein Fahrzeug quasi an, um auch mitfahren zu können. Und diejenigen, die Interesse haben mitzufahren, die sagen dann, ich stelle eine Mitfahrtsanfrage, ich hätte Lust bei dir mitzufahren. Irgendwie auch ein Teilstück würde gehen. Und ich sage dann, läuft, ich nehme euch mit oder...nein.

 

PUBLIKUM:

Ich wollte noch mal fragen nach diesen Mitfahrbänken, was ich sehr attraktiv finde, als Idee. Gibt es vielleicht nicht genug Bänke? Ich glaube, das Problem ist nicht die Anzahl der Bänke, sondern, dass die ... Gerade bei denen mit Auto, und es sind ja fast alle Erwachsenen, haben ja ein Auto, dass das Thema Mitnehmen gar nicht so auf deren Agenda steht. Weil die ja kein Problem haben, sie haben ständig ein Auto. Ich kann mich von A nach B bringen, der hat ja ein Problem. Aber wer die Strecke immer fährt, der kann das so schön ignorieren. Vielleicht muss man die immer mehr ins Zentrum der Öffentlichkeit setzen oder einen Anreiz entwickeln, dass die Person irgendwelche konkreten Vorteile davon hat.

 

MAREIKE:

Die App, die wir jetzt haben, diese Mitfahr-App, war bisher so, dass man nur Fahrtangebote einstellen kann. Das erweitern wir jetzt auch darum, dass man auch Mitfahrt an Fragen einstellen kann. nach da oder so. Und dann muss es einfach auch bei den Leuten in die Köpfe rein. Aber wir müssen auch immer daran arbeiten, dass das einfach im Kopf bleibt, dass man seine Fahrten auch einstellt, weil eigentlich ist es einfach. Also ich weiß, wann ich fahre, ich stelle meine Fahrt ein und zack haben wir ein Mitfahrtangebot. Aber das in das Bewusstsein zu bekommen, das ist die Schwierigkeit.

 

WENDLANDLEBEN:

Wie viel schwieriger ist es konkret im Wendland so neue Ideen und Mobilitätswenden durchziehen zu wollen oder durchziehen zu müssen am Ende des Tages, letztlich wo viele auch einfach, zumindest wenn man Chefredakteuren glauben kann, einfach ihr Auto richtig gerne mögen und das einfach fahren wollen?

 

MAREIKE:

Hm, na ja, man muss schon so ein bisschen für das brennen, was man auch umsetzen möchte. Ich glaube aber, dass es im Wendland einfach ist, neue Dinge umzusetzen. Hier sind viele Menschen, die offen sind. Es sind viele auch von außerhalb irgendwie zugezogen. Also ich meine, das bekommt ihr ja auch sehr stark mit. Und ich glaube, dass da auch einfach neue Ansätze und neue Ideen und auch eine neue Offenheit mit dabei ist. Aber ja, auch bei denen, die generell schon lange im Wendland wohnen. Also ich empfinde es nicht als schwierig, neue Dinge umzusetzen.

 

STEFAN:

Sehe ich ähnlich.

 

MAREIKE:

Genau. Beim Carsharing, ich war genauso skeptisch wie Stefan, hab als Projektmitarbeiterin angefangen und durfte das dann ja beruflich sogar umsetzen zu dem Zeitpunkt. Und hab auch gedacht, so fünf Fahrzeuge in anderthalb Jahren, pff, das schaffen wir nicht. Und dann hatten wir nachher acht. Wir werden es nicht schaffen, dass jeder sein Auto verkauft und alle nur noch im ÖPNV und mit Carsharing und Bikesharing unterwegs sind oder so. Aber wir wollen zumindest die Möglichkeit bieten, dass man ohne Auto auch mal klarkommen könnte, wenn man es denn möchte. Es gibt ja auch Menschen, die fahren gerne Auto. Wir wollen auch niemanden bekehren. Bei den Bussen ist es aber wirklich so, dass die einfach keine guten Verbindungen aktuell anbieten. Also hauptsächlich die Schülerbeförderung und das ist das, woran wir ja gerade arbeiten. Es wird Anfang nächsten Jahres ein komplett neues Wendlandnetz geben und dann werden die Orte anders bedient, weil wir eben dieses noch flexiblere On-Demand, also die On-Demand-Verkehre dann haben.

 

WENDLANDLEBEN:

Ist mit dieser Modellregion und dieser offensichtlichen großen Vielzahl an Angeboten zu Alternativen zum privaten Pkw, ist man schon ein bisschen weiter, aber aus eurer Perspektive: ist man hier schon ein bisschen weiter gewesen?

Also auch bei diesem Mobilitätsthema, wenn man über „Mobilität auf dem Land“ redet, gibt es einmal die Menschen, die sagen, „Es geht halt einfach nicht. Es ist ein Autoland. Wie willst du es machen? Es ist unrealistisch." Und irgendwie ist hier anscheinend ja trotzdem unfassbar viel passiert, was funktioniert. Und: Warum Wendland?

 

STEFAN:

Ich glaube, so grundsätzlich sind wir ja ein Landkreis, wo es immer eine beträchtliche Zahl von Menschen gab und gibt, die gesagt haben: es gibt hier diese vorgefertigten Angebote nicht wie in Ballungszentren. Und, wenn du was machen willst, musst du es selber tun. Und das war ja auch so ein bisschen die Idee, als wir das mit dem Carsharing gegründet haben. Ich glaube, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ist schon ein Gütekriterium, was dieser Landkreis eigentlich über Jahrzehnte ganz gut kultivieren konnte. Und insofern passt das hierher. Das ist ja der schöne Spruch "Wenn Land, dann Wendland".

 

WENDLANDLEBEN:

Dem kann ich nichts mehr hinzufügen. Vielen, vielen Dank für die Ausführungen und die Einblicke. Herzlichen Dank. [Applaus]

 

Das war unsere Folge „Bitte mit ohne Autobahn“. Naja fast. Denn seit dem Gespräch hat sich mobilitäts-mäßig noch mehr getan im Wendland. Darum habe ich Mareike noch mal um ein kleines Update für euch gebeten:

 

MAREIKE:

Im Bereich der Mobilität gab es in den letzten Monaten einige Veränderungen: Wir haben den Wendlandtarif eingeführt zum 1. Oktober. Im Wendlandtarif ist es nun möglich, sich im ÖPNV, also in den Bussen hier in Lüchow-Dannenberg zu bewegen und zwar für 5 Euro am Tag im gesamten Landkreis mobil zu sein. Das heißt, die Preise sind deutlich günstiger geworden. Wir haben jetzt einen Zonentarif - in fünf Zonen eingeteilt, den Landkreis. Und dann kann man sich eben die entsprechende Zone kaufen für den Tag. Man kauft sich also ein Tagesticket für einen entsprechenden Bereich. Außerdem gibt es Vergünstigungen für Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler. Wenn man eine Ehrenamtskarte besitzt und diese vorlegt im Bus, kann man zum vergünstigten Tarif unterwegs sein. Der ist nochmal halb so günstig wie der für Erwachsene. Außerdem haben wir den kostenlosen ÖPNV für alle Schülerinnen und Schüler, für alle Auszubildenden und Freiwilligendienstleistende eingeführt, d.h. alle diese Personen können sich jetzt in Lüchow-Dannenberg komplett frei im ÖPNV bewegen und müssen nichts dafür bezahlen.
Ja, im Januar möchten wir das On-Demand-System an den Start bringen. Da wird es Fahrzeuge geben, die frei im Landkreis verkehren. Man bucht sich seine Fahrt deutlich flexibler als mit dem Rufbus und kann diese dann nutzen, und zwar in einem Zeitraum von 5 Uhr morgens bis nachts um 1. Und in dieser Zeit wird immer geprüft, gibt es für die Verbindung, die ich gerade suche, eine ÖPNV-Verbindung? Und wenn das nicht der Fall ist, dann kommt das On-Demand-System zum Einsatz. Das kommt zum einen natürlich dann in den Randbereichen oder da, wo eben der ÖPNV nicht so gut ausgebaut ist, zum Einsatz, aber eben auch in den Zeiten, wo keine Busse mehr fahren. Und zum April starten wir mit dem Wendlandnetz, also ein neues Haupt- und Nebenliniennetz mit gut getakteten Hauptlinien, ja, so dass wir dann eben im Bereich der Mobilität doch einiges haben, was sich in den nächsten Monaten noch verändern wird. Wir freuen uns drauf!

 

WENDLANDLEBEN:

In den Shownotes findet ihr Links zu den aktuellen Mobilitätsangeboten in Lüchow-Dannenberg.
 

Den Landkreis Lüchow-Dannenberg als Ort zum Leben und Arbeiten sowie Geschichten, Jobs, Tipps und Möglichkeiten zur Vernetzung lernt ihr gut kennen auf wendlandleben.de. Auch dort: unser Kontakt. Meldet euch einfach bei uns, wenn auch ihr im Wendland landen wollt – egal, wie ihr so unterwegs seid.
 

WENDLANDREDEN ist eine Produktion der Agentur Wendlandleben. Technische Umsetzung: Hannes Gerlof und Simon Kamphans. Weitere Folgen WENDLANDREDEN über Work, Life, Land und Alternativen findet ihr auf den gängigen Podcast-Plattformen.

 

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