ZUR PERSON
Name: Nadine Schlockermann
Alter: 41
Berufsbezeichnung/Job: Bonbonmacherin und Theaterpädagogin
Firma: Naschwerk
Im Wendland seit: 2021
Aufgewachsen: Chiemsee
Ausbildung: Lehramt für Deutsch, Englisch und Biologie; M.A., Bilinguales Unterrichten & Europäische Kulturstudien
Wie lange heute Morgen zur Arbeit gebraucht: 2 Minuten
Dort, wo der Flecken Clenze abseits der Hauptstraße in Wald und Wiesen übergeht, führt eine von Pfützen glitzernde Auffahrt zwischen zwei Gebäude. Rechts ein längliches, verschachteltes, das nach hinten in eine Art Werkstatt überzugehen scheint; links ein kompaktes Häuschen mit neuen Fenstern und neuem Dach. Es strahlt Wohnlichkeit aus. Hier, in der hellen, geräumigen Küche, treffe ich Nadine Schlockermann.
Nadine, du hast dir hier im Wendland mit Hilfe deines Mannes Sebastian, deine eigene kleine Bonbonmanufaktur erschaffen. Du hast aber auch viel mit Theater und Schule gemacht, genauer gesagt, mit Theaterpädagogik im Unterricht. Was kam zuerst, und wie kamst du überhaupt zum Bonbonmachen?
Nadine: Zuerst kam die Theaterpädagogik. Ich habe in Freiburg Lehramt studiert und danach am Bodensee unterrichtet. Seit 12 Jahren bin ich in der Lehramtsaus- und fortbildung tätig und zeige, wie Fremdsprachen mithilfe von Theatermethoden in den Unterricht eingebaut werden können und so zu erfolgreichem Sprachenlernen führen. Neben meiner Leidenschaft für Theater habe ich die Bonbonmacherei in Amsterdam für mich entdeckt, wo wir sieben Jahre gelebt haben. Ich hatte schon immer den Wunsch, ein Nischenhandwerk zu lernen – ein altes Handwerk, ohne den Gebrauch von Maschinen. In Amsterdam gibt es eine Bonbonmanufaktur, die mich an die Filme Amelie und Chocolat erinnert hat. Der Laden passte so wunderbar in diese Amsterdamer Kulisse, und ich war beeindruckt von dem Handwerk. Nachdem ich ein halbes Jahr fast täglich an der Scheibe der Bonbonmanufaktur klebte und den Bonbonmacher*innen bei ihrem faszinierenden Handwerk zuschaute, hatte ich Glück: eine Bonbonmacherin hatte aufgehört und sie suchten eine neue. Ich wurde zu einem Probenachmittag eingeladen und passte wohl gut ins Team. Und danach durfte ich lernen.
Und warum hast du entschieden, deine Manufaktur im Wendland zu eröffnen?
Von der Mentalität her ähneln die Menschen hier denen in Amsterdam: Das sind Leute, die sich und ihre Leidenschaft ausprobieren. Scheitern ist hier kein Fehler. Es wird eher gesagt: dann machst du halt was anderes. Ich hatte das Gefühl, dass genau hier im Wendland der Platz für mich mit meiner Manufaktur sein kann.
Du hattest ja inzwischen mehrere Jahre lang vom Bonbonmachen Pause gemacht. Aber das hat dich wohl nie ganz losgelassen, oder?
Genau. Das war einfach eine unglaublich erfüllende Tätigkeit, meine Leidenschaft. Mit der Geburt unserer beider Kinder habe ich jeweils pausiert. Aber für beide Kinder haben wir Geburtsbonbons gemacht, also den Namen ins Bonbon geschrieben. Man kann bis zu zwölf Buchstaben in ein Bonbon setzen.
Sie klickt durch Fotos auf ihrem Laptop und dreht ihn zu mir. Tatsächlich, auf kreisrunden, grünen Bonbonscheibchen ist in weißen Buchstaben “LEANDER” zu lesen. Es wirkt wie kleine, bunte Intarsienarbeiten.
Wie kommen denn die Buchstaben da hinein?
Jeder einzelne Buchstabe wird auf einem Heiztisch dreidimensional aufgebaut. Dabei ist es wichtig, die einzelnen Teile der Buchstaben in geometrische Formen zu zerlegen, damit sie am Ende im Bonbon ihre Stabilität nicht verlieren. Sind alle Buchstaben modelliert, entsteht am Ende eine ca. 14 cm dicke Rolle, in der das fertige Motiv sitzt. Die Rolle wird schließlich in kleine Stangen ausgezogen, die auf einem Edelstahltisch abkühlen und letztlich mit einem Spachtel in kleine Bonbons gehackt werden.
Wie stellst du die Bonbonmasse her?
Die Basis bilden Zucker, Wasser und Glukose. Je nach Auftrag, starte ich mit 4-8 kg Zucker. Das hört sich jetzt erst einmal viel an, aber das Ergebnis sind zwischen 1.000 und 4.000 Bonbons. Ist die Zuckermasse auf 154 Grad erhitzt, kommt der Geschmack dazu; dafür benutze ich nur natürliche Aromen und Öle. Dann wird die Bonbonmasse hier auf dieser kalten Marmorplatte ausgegossen; die Bonbonmasse kühlt ab und ich kann die Farben einmengen. Hier benutze ich auch vorwiegend natürliche Farbextrakte aus Pflanzen. Je nach Design, liegen am Ende 1-6 verschiedenfarbige Teile auf dem Tisch, die aber unabhängig von der Farbe alle denselben Geschmack haben. Wenn die Masse allmählich abkühlt, werden die farbigen Stücke ausgeschnitten und auf die Heizplatte gebracht. Jetzt geht das Modellieren los. Eine Session dauert insgesamt ca. 3 Stunden ohne Pause – vom Aufkochen des Zuckers bis zum fertigen Bonbon.
Du verkaufst deine Bonbons inzwischen in verschiedenen Läden im Wendland. Was hast du sonst noch vor?
Neben der Produktion für die Läden im Umkreis bekomme ich vermehrt Anfragen, Firmenlogos und individuelle Bonbons zu kreiieren. Die Planung und Herstellung personalisierter Bonbons macht mir unglaublich Spaß und soll im kommenden Jahr verstärkt mein Schwerpunkt sein.
Zudem wünsche ich mir, meine Bonbonmanufaktur für andere zu öffnen, eine gläserne Manufaktur anzubieten, um das faszinierende Handwerk direkt miterleben zu können. Mir schweben Workshops, Teambuilding-Events, Führungen und andere Möglichkeiten vor. Im kommenden Jahr wird sich alles etwas ordnen und herauskristallisieren, wo die Reise mit den Bonbons hingehen kann. Ich bin dankbar, inzwischen eine hochmotiverte Assistentin und Freundin an meiner Seite zu haben, die das Handwerk erlernen möchte und mich unterstützt, da das Bonbonmachen alleine erstens nicht so viel Spaß macht und zweitens für einige Designs Unterstützung absolut notwendig ist.
Für das kommende Jahr möchte ich zur KLP mit einem Bauchladen verschiedene Punkte ablaufen und meine Bonbons an die Menschen bringen. Insgesamt freue ich mich sehr, dass meine Bonbons und Lollys so gut angenommen werden und die Nachfrage und Ressonanz so groß ist. Strahlende Augen und lächelnde Münder - Ich bin gespannt, was da noch alles auf mich wartet.
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Das Interview führte Kerstin Lange im Feburar 2024 für Wendlandleben.
Aktualisiert wurde das Interview im Dezember 2024 von Nadine Schlockermann und Steffen Rudnik.
Mehr Infos zu "Naschwerk Wendland" hier.